Kroatischer Brückenkopf in serbischer Hand

■ Mit der Einnahme der bosnischen Grenzstadt Bosanski Brod haben die serbischen Verbände einen Stützpunkt für weitere Eroberungen in Bosnien geschaffen

Kroatischer Brückenkopf in serbischer Hand

Im Krieg auf dem Balkan haben die serbischen Verbände eine entscheidende Schlacht gewonnen. Mit der Einnahme der bosnischen Grenzstadt Bosanski Brod haben sie den schmalen Korridor, der die serbisch besetzten Gebiete im Nordwesten Bosniens und in der kroatischen Krajina mit der Republik Serbien verbindet, fürs erste gesichert. Die Hoffnung der Regierung in Sarajevo, daß ihre schlecht bewaffneten Truppen, die noch einige wenige eingekesselte Städte verteidigen, aus Kroatien Nachschub erhalten, ist geplatzt. Wäre es den kroatischen Truppen gelungen, von Bosanski Brod einen Nord-Süd-Korridor zu den von muslimischen Verbänden gehaltenen Gebieten zu schaffen, wäre der serbische Ost-West-Korridor endgültig zerschnitten gewesen. Doch diese Perspektive hat sich nun als Chimäre erwiesen. Die kroatischen Truppen, die auf nordbosnischem Gebiet einen Brückenkopf errichtet hatten, mußten sich am Dienstag abend über die letzte noch intakte Brücke über die Save nach Kroatien zurückziehen.

Für die serbische Seite hat die Eroberung Bosanski Brods eine strategische Bedeutung. Zum einen erleichtert sie den Waffennachschub aus Serbien und die Versorgung der Bevölkerung in der bosnischen Krajina mit der Hauptstadt Banja Luka und der kroatischen Krajina mit der Hauptstadt Knin. Aus beiden Gebieten wurde die muslimische und die kroatische Minderheit weitgehend vertrieben. Zum andern wird es nun den serbischen Verbänden leichtfallen, die restlichen bosnischen Gebiete in der Tiefebene der Save zu erobern.

Bosanski Brod war schon kurz nach Ausbruch des Krieges in Bosnien-Herzegowina hart umkämpft. Nach der Volksabstimmung vom 1.März, bei der sich eine Mehrheit der Bürger für die Unabhängigkeit der Republik aussprach (die Serben blieben dem Urnengang weitgehend fern), nahmen die Spannungen in der Stadt, in der neben 41 Prozent Kroaten 34 Prozent Serben und 12 Prozent Muslime lebten, dramatisch zu. Im April übernahmen die Verbände bosnischer Kroaten die Kontrolle. Die serbische Minderheit flüchtete.

Doch Bosanski Brod kam nicht zur Ruhe. Kaum eine Woche, in der nicht Granaten schwerer serbischer Artillerie in der Grenzstadt einschlugen. Ende Juli waren bereits über drei Viertel der Bevölkerung aus der Stadt geflohen. Den bedrängten, schlecht ausgerüsteten Verteidigern der Stadt, die der HVO (Kroatischer Verteidigungsrat, gebildet aus kroatischen Bosniern) angehörten, kam die Armee Kroatiens zu Hilfe. Monatelang dementierte die Regierung in Zagreb ihre von der kroatischen Bevölkerung in Bosanski Brod durchaus begrüßte Intervention in Bosnien-Herzegowina. Doch schließlich schlossen Izetbegovic und Tudjman, die Präsidenten der beiden Republiken, am 21. Juli einen Pakt, der die „Kooperation bei den Verteidigungsbemühungen“ ausdrücklich legitimierte. Thomas Schmid