■ Short Stories From America
: Die Ungedienten

Dan Quayle hat sich um die Einberufung herumgemogelt. Das ist die cleverste, menschlichste Geschichte, die mir von ihm bisher bekannt geworden ist, und ich verstehe überhaupt nicht, warum die Republikaner das geheimhalten wollen. Als er sich 1969 einen bequemen Job bei der National Guard an Land zog, war den meisten Leuten längst klar, daß Amerika in Vietnam nicht für die Rettung der Demokratie kämpfte. Vielleicht für billiges Hasch und Stereogeräte, aber nicht für die Demokratie. Quayle hat das kapiert. Ich bin beeindruckt. Bill Clinton hat sich auch vor der Einberufung gedrückt, aber das macht mir weniger Eindruck. Schließlich war er Rhodes- Stipendiat und machte seinen Abschluß an der Yale Law School. Von solchen Leuten erwartet man, daß sie etwas kapieren. Aber Quayle.

In letzter Zeit hat er ja nicht viel geleistet. Seine Angriffe auf fürsorgeabhängige Mütter mit Kindern wirkte sich in der Wahlkampagne gegen ihn aus. Ich glaube, die Leute hielten das weder für menschlich noch für intelligent. Mit seinen Angriffen auf Clinton wegen dessen Militärzeit landete er auf dem Bauch. Ich glaube, da murmelten die Leute etwas von an die eigene Nase fassen, und das hört Quayle nicht so furchtbar gern.

Seine Wehrdienstmogelei ist jedenfalls respektabler als Bushs Verhalten in der Iran-Contra-Affäre. Erstens war das, was Quayle tat, legal. Zweitens hatte er es gut geplant und durchgeführt: er bat einen pensionierten Generalmajor, der für seinen Opa arbeitete, um ein paar Telefonanrufe. Drittens hatte er sich gut vorbereitet. Robert Fischer, der Leiter des Projekts für Militärgeschichte in der National Guard von Indiana, drückte es so aus: „Da kommt also ein Junge rein, mit kurz geschnittenen Haaren, höflich ist er auch... und helle genug, um seinen Antrag richtig auszufüllen. Wir haben uns nicht einfach irgend einen Knaben von der Straße geholt.“ Man muß anerkennen: Quayle hatte gute Arbeit geleistet.

Man vergleiche das mit Bush in der Iran-Contra-Affäre. Im Dezember 1986 sagte Bush, er habe über die Waffenverkäufe an den Iran gewußt und Präsident Reagan unterstützt. Zwei Monate später sagte er, er habe es gewußt, aber vielleicht nicht befürwortet. Drei Monate später sagte er, er habe nichts gewußt, und hätte er etwas gewußt, dann hätte er es nicht unterstützt. Dabei blieb er acht Monate lang, bis er im Januar 1988 sagte, er habe „keine genaue Erinnerung, wann ich mein erstes Gespräch zu diesem Thema führte“, aber dafür gewesen sei er immer.

Dieses Hin und Her soll uns egal sein. Es soll uns auch egal sein, daß Außenminister George Shultz, der nationale Sicherheitsberater John Poindexter, eine Chronologie des Außenministeriums für die Kongreßanhörungen zur Iran-Contra-Affäre und jetzt auch noch der ehemalige nationale Sicherheitsberater Howard Teicher alle übereinstimmend berichten, Bush habe Bescheid gewußt.

Unter dem Strich bleibt stehen: Wenn Bush Bescheid wußte, dann ist er ein Lügner. Wenn er nicht Bescheid wußte, wenn der ehemalige CIA-Direktor und Vizepräsident wirklich nicht Bescheid wußte — was hat er dann eigentlich getaugt?

Teicher sagte über Bushs Führungsstil: „Ich hatte es mit einem Verhalten zu tun, aus dem der Wunsch deutlich wurde, sehr gut informiert zu werden, aber aus jedem umstrittenen Thema draußen zu bleiben.“ Stellen wir uns den Tatsachen: anders als im Falle Quayle wurde hier keine gute Arbeit geleistet.

Wie Quayle sich um die Einberufung herumgemogelt hat, ist mir auch lieber als die Art, wie sich Bush um unangenehme Aufgaben herumdrückt. Als er in diesem Monat gegen das Gesetz des Kongresses über den Familienurlaub Front machte, legte Bush sein Veto am späten Abend ein, lange nach den Abendnachrichten. (Das Gesetz hätte Firmen mit mehr als fünfzig Beschäftigten dazu verpflichtet, im Krankheitsfalle — auch bei der Krankheit eines Kindes, eines Elternteils oder Ehegatten — zwölf Wochen unbezahlten Urlaub zu gewähren, wenn die Arbeitszeit mehr als 25 Stunden pro Woche beträgt.) Vier Tage später bekräftigte er das Verbot für Abtreibungsberatung in Kliniken, die mit Bundesmitteln betrieben werden, ebenfalls lange nach den Abendnachrichten. Beide Themen gingen unter. Und schließlich sagte Bush seine geplante Debatte mit Clinton ab, weil die vorgesehene Form mit einem Moderator (statt einer Gesprächsrunde) direktere und präzisere Fragen zugelassen hätte, als ihm lieb war.

Das alles verrät nichts von Quayles sicherem Vorgehen, von seinem Tempo und Selbstvertrauen. Könnte es sein, daß Bush glaubt, die Pflege kranker Kinder gehe ihn nichts an — so wie die Einberufung Quayle anging? Oder Kongreßgesetze könnten ihm persönlich egal sein? Oder hat er etwa immer noch nicht gemerkt, daß er mit bloßem Hintern in der Kälte steht? Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meino Büning