■ Recycler wie in Lengerich als Lumpensammler der Chemie
: Sorglose Entsorger

Die Giftwolke über Lengerich wird eines nicht bleiben: ein einmaliger Unfall. Denn Firmen wie die in Lengerich sind im Entsorgungsgewerbe die Regel und keinesfalls eine bedauerliche Ausnahme. Unternehmungen, eben wie jene „Microplast“, deren Geschäftsführer die notwendige Evakuierung mehrerer hundert Menschen öffentlich damit abtat, daß schließlich „niemand lebensgefährlich verletzt“ worden sei.

Sogar bei den Verbänden der kunststofferzeugenden Industrie haben die Entsorger einen schlechten Ruf: „Ziemlich viele“ der Recycler seien die „direkten Nachfolger der Lumpensammler“. Nur handelte dieses ausgestorbene Gewerbe mit Lumpen, Eisen und anderen einfachen Metallen und nicht mit den Produkten der Chlorchemie. Recycling von PVC ist ein gefährlicher Prozeß und erfordert dementsprechende High-Tech-Anlagen, und außerdem Lager, die so konstruiert sind, daß im Falle eines Brandes keine dioxinhaltigen Rauchwolken austreten können.

Derartige Lager für die jährlich in der Bundesrepublik anfallenden 2,5 Millionen Tonnen Kunststoffrückstände würden das Recycling selbstverständlich teurer machen — zu teuer vermutlich für Klitschen wie „Microplast“. Wohin also dann mit dem alten PVC aus Industrie und Privathaushalten? Aus der Welt schaffen müßte es die Industrie, jene Zauberer der Chemie, die häufig selbst nicht wissen, wie sie all die Stoffe, die sie in endlosen Versuchsreihen zusammenmixen, wieder loswerden sollen. Für die chemische Industrie lohnt sich die Chlorchemie, zu der PVC gehört, vor allem deshalb, weil die Risiken zum großen Teil vergesellschaftet sind.

Wenn man, wie die Politiker der Regierungsparteien, einem Verbot der Chlorchemie trotz Seveso nicht zustimmen will, dann sollten wenigstens sämtliche Kosten der Entsorgung und der Unfälle a la Lengerich per Gesetz den Produzenten angelastet werden. Die hätten unter solchen Bedingungen wahrscheinlich von selbst kein Interesse mehr an der PVC- Produktion: Zu den dann realistischen Preisen würden sie das Zeug wohl kaum noch los.

Zur Zeit jedoch geschieht das genaue Gegenteil. Mit dem Dualen System, das nicht das Vermeiden von Verpackungsabfällen, sondern deren Wiederverwertung fördert, wird die Zahl dubioser Unternehmer noch zunehmen, die in der Entsorgung ein schnell expandierendes Geschäft sehen. Zwei Millionen Tonnen Kunststoffrückstände werden heute noch nicht wiederaufgearbeitet — wegen fehlender Recyclingkapazitäten. Ab nächstem Jahr aber muß das Duale System die Wiederverwertungsquoten einhalten — und die Kunststoffe dann zunächst auf riesigen Flächen zwischenlagern. Lengerich ist dann potentiell überall. Donata Riedel