Italien ade?

■ Rufe nach Auflösung werden lauter

Rom (taz) — Sensationelle Wende in Italiens Politik: in einer als „Konfrontation“ angekündigten Rundfunksendung haben der Vorsitzende der industrienahen Republikanischen Partei, Giorgio La Malfa, und der Chef der separatistischen „Lega nord“, Umberto Bossi, nahezu vollkommene Übereinstimmung in ihrer Analyse der derzeitigen politischen Situation und über die anzuwendenden Heilmittel gefunden. Beide sehen im Lande derzeit nur noch „Unregierbarkeit durch die existierenden Parteien“ und als Sanierungsmittel zunächst eine „Regierung aus Fachleuten ohne Parteibindung“, die dann eine „Auflösung des Zentralstaates zugunsten einer weitgehend förderalistischen Struktur“ erarbeiten soll. Der seit längerem befürchtete „Sfascismo“, der Zerfall Italiens, tritt damit in ein neues Stadium. Bossis „Ligen“ — benannt nach den antikaiserlichen Städtebünden des Mittelalters — plädieren schon seit langem für weitgehende Autonomie ihrer Gebiete (vor allem der Lombardei, Piemonts, des Veneto und Liguriens) und die Einbehaltung ihrer Steuergelder in der Region; häufig mischt sich darunter auch blanker Rassismus, der sich vor allem gegen zugewanderte Süditaliener richtet. Die Ligen und der PRI können dabei in Oberitalien auf eine bereits mehrheitsträchtige Stimmung im Volk zählen. Bei den Provinzwahlen in Mantua bekamen die „Ligisten“ Bossis mehr als ein Drittel der Stimmen, während die in Rom regierenden Parteien auf unter 25 Prozent schrumpften.

Daß die Annäherung der vergleichweise winzigen Republikanischen Partei (3,8 Prozent) an die Separatisten Bossis höchste Aufregung im gesamten politischen Italien versacht, rührt von der Tatsache her, daß der PRI nicht nur Italiens Industriekapital vertritt, sondern auch vor allem aus Piemont mit seiner Hauptstadt Turin besondere Förderung erfährt — aus jener Region also, die im vorigen Jahrhundert Ausgangspunkt für die Reichseinigung war. La Malfas Zustimmung zu einem „ersten Schritt in Form steuerlicher Autonomie dreier zu konstituierender Großregionen“ — Ober-, Mittel- und Unteritalien — signalisiert den Segen der Großkonzerne wie etwa des PRI-Sponsors Fiat-Agnelli.

Umberto Bossi genügt derlei freilich nicht, er möchte eine volle, auch kulturelle und politische Autonomie. Um in Rom weiteren Druck zu machen, legte er inzwischen nach und rief zum Boykott der eben vom Staat ausgegebenen Schuldscheine auf. Folgen die reichen Oberitaliener dem, wird es wieder einmal nichts mit der durch eben diese Kredite erhofften Haushaltssanierung; die Regierung Amato wäre am Ende. Werner Raith