Die PKK zwischen zwei Fronten

■ Türkische Luftwaffe bombardiert Nordirak/ Bodentruppen stehen zum Einmarsch bereit

Istanbul (taz) — Seit Mittwoch nachmittag haben Verbände der türkischen Luftwaffe in den Kampf zwischen irakischen Kurden und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eingegriffen. Damit ist die von Vertretern der PKK befürchtete Situation einer konzertierten Aktion zwischen irakischen Kurden und der türkischer Armee angelaufen. Die kurdische Guerilla aus der Türkei gerät damit zwischen zwei Fronten und droht aufgerieben oder aber in Richtung Iran vertrieben zu werden.

Türkische Politiker dementieren zwar, daß die Luftangriffe auf die PKK-Lager, die sich in unmittelbarer Grenznähe zur Türkei im kurdischen Nordirak befinden, mit den irakischen Kurdenführern abgesprochen seien, doch ist der Zusammenhang offensichtlich. In Gesprächen der irakischen Kurdenführer Jelal Talabani und Mesud Barsani in Ankara habe nach Auskunft türkischer Regierungskreise darüber Konsens geherrscht, daß die PKK eine „terroristische Organisation sei“. Im Gegensatz zu seinem Ministerpräsidenten Demirel macht der türkische Generalstabschef Dogan Güres aus der Zusammenarbeit auch gar keinen Hehl: „Warum sollten wir den Nordirakern, die gegen die PKK kämpfen, nicht helfen, falls sie Hilfe anfordern“, fragte er öffentlich.

In türkischen Medien wird ausführlich über die Zusammenarbeit des türkischen Militärs mit der kurdischen Führung im Nordirak berichtet. Die Türken drohten den Kurden im Nordirak damit, das Stationierungrecht der alliierten Schutzmacht für die Kurden im Nordirak mit dem Codenamen „Schwebender Hammer“ nicht zu verlängern und Hilfslieferungen, die nur über die Türkei in den kurdischen Nordirak gelangen können, zu blockieren. Türkische Stabsoffiziere hätten gemeinsam mit den irakischen Kurdenführern die militärischen Operationspläne gegen die PKK ausgearbeitet. Bereits am 15. September seien 15 hohe türkische Offiziere in den Nordirak gereist, um die Details abzusprechen. Bestätigt werden solche Meldungen auch von der PKK, die mitteilte, daß während der Kämpfe zwei türkische Offiziere in kurdischer Peschmerga-Bekleidung gefangengenommen worden seien. „Dies ist kein Bruderkrieg. Dies ist die geschichtliche Abrechnung zwischen Verrätern und der Front für Unabhängigkeit und Freiheit unter Führung unserer Partei“, lautet die Stellungnahme der ARGK, der Militärorganisation der PKK.

Die irakischen Kurden haben das Gebiet für Journalisten gesperrt. Pressevertreter werden an der Grenze zur Türkei zurückgewiesen. Nach den spärlichen Informationen über den Stand der Kämpfe — die türkische Tageszeitung Milliyet berichtet unter Berufung auf ihren Korrespondenten in Dahok von 150 Toten — ist insbesondere die Region Harkurk im türkisch-iranisch-irakischen Grenzgebiet umkämpft. In der Region, von PKK-Partisanen „Hochebene der Freiheit“ getauft, befindet sich das größte PKK-Lager unter Kommando von Osman Öcalan, des Bruders von PKK-Führer Abdullah Öcalan. Der Führer der „Demokratischen Partei Kurdistans“, Mesud Barsani, gab an, daß 11.500 seiner Peschmerga in Harkurk gegen die PKK kämpfen würden. Informationen aus der kurdischen Stadt Dahok zufolge werden zahlreiche Verletzte in den Krankenhäusern eingeliefert. Die kurdischen Radio- und Fernsehsender rufen die Bevölkerung auf, Blut zu spenden.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch türkische Bodentruppen — rund 110.000 Soldaten sind entlang der 280 km langen irakisch-türkischen Grenze stationiert — in das Gebiet einmarschieren werden. Türkische Panzerverbände warten darauf, von den irakischen Kurden „um Hilfe gebeten zu werden“. Als letzter Zufluchtsort für die PKK-Partisanen bliebe in diesem Fall der Iran. Erst Mitte September hat der türkische Innenminister Ismet Sezgin mit seinem iranischen Amtskollegen Abdullah Nouri einen Vertrag abgeschlossen, wonach „terroristische Organisationen“ nicht geduldet werden sollen. Ömer Erzeren