UNO schickt Beobachter nach Georgien

Abchasische Separatisten erzielen militärische Positionsgewinne/ Georgische Wahlen finden trotzdem morgen statt/ Attentatsdrohungen von verschiedenen Seiten  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Eine Beobachtergruppe der Vereinten Nationen wird in Kürze in das vom Bürgerkrieg geschüttelte Georgien reisen. Abchasische Separatisten hatten Anfang der Woche die letzte georgische Bastion, die Küstenstadt Gagra, eingenommen und damit fast das gesamte Gebiet Abchasiens unter ihre Kontrolle gebracht. Der provisorische Staatsrat Georgiens, unter der Führung Eduard Schewardnadses, richtete daraufhin einen Hilferuf an die Vereinten Nationen, eine Vermittlerrolle in dem Konflikt mit der nationalen Minderheit zu übernehmen. Die UNO fordert die kriegführenden Parteien auf, sich an dem im September in Moskau vereinbarten Waffenstillstand zu halten, und betont ausdrücklich die territoriale Integrität Georgiens. Die UNO reagierte damit außergewöhnlich schnell auf den georgischen Notruf.

Ein Ende der Kampfhandlungen in Abchasien ist jedoch nicht abzusehen. Auf beiden Seiten läuft die Mobilmachung auf Hochtouren. Die Konföderation der Bergvölker des Kaukasus, die auf seiten Abchasiens kämpfen, drohte damit, die georgische Mobilmachung sofort zu beantworten: „Wenn Schewardnadse vierzigtausend Reservisten nach Abchasien schickt, werden wir ebenfalls vierzigtausend unserer besten Soldaten schicken“, sagte ihr Sprecher Soslanbekow.

Soslanbekow ging noch weiter. Vor dem Hintergrund der für Sonntag geplanten Wahlen kündigte er eine Ausdehnung der Kampfhandlungen auf die friedlichen Regionen Georgiens an. Aus Angst vor Terrorakten wird schon seit Wochen jedes Fahrzeug am Stadtrand der Hauptstadt Tbilissi auf Waffen untersucht. Um die Menschen vom Wahlgang abzuhalten, verbreiteten auch die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Gamsachurdia in seiner Hochburg Sugdidi Anschlagsgerüchte. Schewardnadse, der als einziger für den Posten des Parlamentspräsidenten kandidiert, will unbedingt an den Wahlen festhalten. Auch nachdem klar ist, daß die Bevölkerung in Abchasien und in einem Teil der Westprovinz den Wahlgang boykottieren wird. Nach letzten Umfragen kann Schewardnadse mit über achtzig Prozent Zustimmung rechnen.

Der provisorische Staatsrat, den Schewardnadse präsidiert, besitzt keinerlei verfassungsrechtliche Legitimation, um Reformen auf den Weg zu bringen. Mehrfach hatte der ehemalige sowjetische Außenminister gedroht, von seinem Posten zurückzutreten, sollten keine Wahlen stattfinden. Er sprach sogar von der Möglichkeit einer drohenden Militärdiktatur. Dem Staatsrat gehören über achtzig Vertreter aus allen möglichen politischen Organisationen an. Er hat mehr beratende als exekutive Funktionen. Im Präsidium sitzen neben Schewardnadse auch Verteidigungsminister Kitowani, der Chef der informellen Milizen „Mchedrioni“, Dschaba Ioselani, und Schewardnadses Stellvertreter Tengis Sigua. Ihnen läßt sich schwerlich Demokratiebewußtsein und politisches Verständnis nachsagen. Schewardnadse konnte auf ihre Mitarbeit dennoch nicht verzichten, schließlich befehligen sie das Militär. In der Bevölkerung genießen sie dagegen kaum Ansehen. Ob sie im Abchasienkonflikt nicht auch eine „eigene“ Politik verfolgen, läßt sich nicht endgültig sagen, auszuschließen ist es aber nicht. Nicht zuletzt deswegen drängt Schewardnadse auf Wahlen. Nur so könnte er sich seiner ungeliebten Beisitzer entledigen.