Konrad-Anhörung für Einwender katastrophal

■ Der Physiker Gerald Kirchner ist Experte des BUND für atomare Endlager

taz: Zwei Wochen nach Beginn scheint die überregionale Öffentlichkeit das Interesse am Schacht- Konrad-Verfahren verloren zu haben. Was passiert eigentlich bei der Anhörung in Salzgitter?

Gerald Kirchner: Bisher sind Verfahrensfragen behandelt worden. Zu einer Diskussion der inhaltlichen Punkte, die eigentlich den Schwerpunkt darstellen sollte, sind wir überhaupt noch nicht gekommen. Allerdings werden bei diesem Erörterungstermin mit der Verhandlung der Verfahrensfragen schon die Weichen für die Genehmigung oder ihre Versagung gestellt.

Gleich zu Beginn hat es einen Aussetzungsantrag gegeben, der nach einer Intervention von Bundesumweltminister Klaus Töpfer von seiner niedersächsischen Kollegin Monika Griefahn zurückgewiesen wurde. Wird es nach diesem Vorbild weitergehen?

Die letzten Wochen sind genau nach diesem Schema verlaufen. Es hat von seiten der Einwender ausschließlich Abbruchanträge gegeben, die sämtlich vom niedersächsischen Umweltministerium nach Bonn weitergeleitet wurden. Das wäre nicht notwendig gewesen. Töpfer hat sie zum guten Teil mit Weisungen entschieden. Es gab aber auch so etwas wie vorauseilenden Gehorsam des niedersächsischen Ministeriums.

Heißt das, daß zwischen Bonn und Hannover nur noch der Schwarze Peter hin und hergeschoben wird?

Das ist genau das Problem, das ich sehe. Der bisherige Verlauf des Verfahrens ist nach meinem Eindruck aus der Sicht der Einwender katastrophal. Das niedersächsische Umweltministerium holt sich bewußt so viele Weisungen ins Haus, daß es dem staunenden Publikum in einem halben Jahr nur noch mitteilen kann: Ihr wißt alle, daß wir gern anders entscheiden würden, aber leider zwingt uns der böse Minister in Bonn, den Genehmigungsantrag positiv zu bescheiden. Hier läuft ein klassisches Schwarzer-Peter-Spiel ab, in dem die Handlungsspielräume, die Niedersachsen hätte, völlig negiert werden. Es gibt sogar ein Zusammenspiel zwischen der Genehmigungsbehörde und einzelnen Einwender-Anwälten, in dem bewußt oder unbewußt faktisch die Genehmigung vorbereitet wird.

Das ist ein harter Vorwurf. Können Sie für dieses Zusammenspiel ein Beispiel nennen?

Das ist nicht einfach konkret nachzuweisen. Aber es fällt schon auf, daß ein Rechtsanwalt, der hier als Einwender-Anwalt drei große Städte vertritt, darunter Salzgitter, gleichzeitig in diesem Verfahren juristische Beratung für das niedersächsische Umweltministerium geleistet hat oder immer noch leistet.

Er vertritt beide Seiten, Einwender und Behörde?

So scheint es, und ich weiß nicht, ob der Stadt Salzgitter dieses bekannt ist. Zumindest ist hier ein bewußtes oder fahrlässiges Zusammenspiel mit den geschilderten Konsequenzen zu beobachten.

Welche anderen Möglichkeiten hat das Land Niedersachsen gegenüber dem weisungsberechtigten Töpfer-Ministerium?

Das hat uns die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit dem inzwischen aufgegebenen Schnellen Brüter von Kalkar vorgemacht. Die Genehmigungsbehörde müßte sich entschließen, Sicherheitsprobleme im Detail zu diskutieren, sie durch entsprechende Gutachten zu untermauern und dann auf einer Klärung dieser Fragen zu bestehen, bevor eine Genehmigung erteilt werden kann. Darüber könnte sich der Bundesumweltminister nur sehr schwer hinwegsetzen. Dieses ist genau der klassische Spielraum, den das Land Niedersachsen auch hätte.

Haben Sie Hinweise dafür, daß Niedersachsen unter dem Druck anderer — ebenfalls SPD-geführter — Länder den Widerstand gegen das Atommüll-Endlager nicht auf die Spitze treiben will?

Die mir vorliegenden Akten dieses Verfahrens äußern sich dazu natürlich nicht. Aber es ist sicher eine der plausiblen politischen Erklärungen, warum sich das Ministerium so verhält. Interview: Gerd Rosenkranz