Bonn-apart
: Was ist bloß Subsidiarität?

■ Antwort: Dann, wenn man nicht mehr weiterweiß

Bonn (taz) — Da die Regierung den Vertrag von Maastricht nicht nachträglich besser machen kann, als er ist, muß sie ihn zumindest schönreden. Alles, was ihr dazu bisher eingefallen ist, ist ein Fremdwort, das ungefähr so ausdrucksstark ist wie ein Richtlinientext der Europäischen Gemeinschaft, dafür aber auch ebenso willkürlich auslegbar: „Subsidiarität“.

Subsidiarität bedeutet, daß Entscheidungen nur dann von der EG-Kommission getroffen werden sollen, wenn sie nicht genausogut oder besser von den Einzelstaaten, den Regionen oder Gemeinden getroffen werden können. Der Maastrichter Vertrag enthält dieses Prinzip, nur hat man vergessen zu definieren, wer denn entscheiden darf, wo entschieden werden darf.

Geht es nach der Bundesregierung, soll das nun nachträglich klar festgelegt werden. Geht es dagegen nach der EG-Kommission, hat die Bundesregierung einen Vogel.

Am Donnerstag abend schilderte Karel van Miert vor einigen Journalisten im Deutschen Verkehrsforum in Bonn die praktischen Schwierigkeiten mit der „Subsidiarität“. Zum Beispiel bei Sicherheitsbestimmungen für die Kanalfähren: Noch vor wenigen Jahren seien sich alle einig gewesen, daß hier ein Fall für die Subsidiarität vorliege — bis in einem belgischen Hafen eine Kanalfähre verunglückte.

Nun versuchte Großbritannien, seinen Fährenbetreibern härte Sicherheitsbestimmungen aufzuerlegen. Die Firmen redeten sich mit dem Verweis auf die Konkurrenz in Frankreich und Belgien raus.

Was passierte? Großbritannien und Frankreich wandten sich gemeinsam an die Europäische Gemeinschaft — mit der Bitte um eine Richtlinie. Konsequenz: Subsidiarität ist, wenn man entweder zuständig ist oder dann doch lieber nicht. Am Montag soll die EG-Kommission ihre Definition etwas präzisieren. Tatsächlich wird die Kommission wohl den Schwarzen Peter an die Einzelstaaten zurückgeben: „Definiert ihr!“ Das ist die Subsidiarität!

PS: Das Prinzip der Subsidiarität gibt es auch bei der Gesundheitsreform. Dort heißt das, daß man alle anfallenden Kosten nach Möglichkeit den Bürgern aufbürden soll. Hans-Martin Tillack