Kinderpornohändlern das Handwerk legen

Der Bundestag debattiert den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie/ Streit um die Verjährungsfristen und Strafandrohung/ Präventive Konzepte fehlen  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Abnehmer sind als Anstifter zu betrachten und zu behandeln, verlangte Erika Simm (SPD) in der Debatte über einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie, der gestern in erster Lesung im Bundestag beraten wurde. Neben der Erhöhung des Strafmaßes für Herstellung und Vertrieb auf drei Jahre wird nun endlich auch der bisher ganz straffreie Besitz von Kinderpornographie unter Strafe gestellt.

Der Entwurf von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht hier Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr vor — zu wenig, meinten auch Christina Schenk (Bündnis 90/Die Grünen) und Barbara Höll (PDS/LL). Auch der Unionsabgeordnete Heinrich Seesing signalisierte für die anstehenden Ausschußberatungen Veränderungsbereitschaft. Das Parlament behandelte gleichzeitig einen Antrag der SPD-Fraktion, der die Verjährungsfristen für den sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen verändert. Die Verjährungsfrist für solche Straftaten soll erst dann beginnen, wenn die Opfer erwachsen und nicht mehr von den Tätern abhängig sind. Auch die Justizministerin sprach sich dafür aus. Der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen will den Beginn der Verjährungsfrist allerdings bei der Altersgrenze von 14 Jahren ansetzen.

Die erste Lesung der Gesetzentwürfe hat bereits eine jahrelange Vorgeschichte. Nach den Enthüllungen des Stern über den Kinderpornomarkt hatten sich Frauen aus allen Fraktionen zusammengefunden. 1990 und 1991 war die Bundesregierung in fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen zu Maßnahmen aufgefordert worden. Der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium, im März noch von Klaus Kinkel vorgelegt, hatte die strafrechtlichen Vorschläge dieser Gruppenanträge aufgenommen. Neben der Erhöhung des Strafmaßes enthält der Entwurf verschärfte Einziehungsvorschriften und flankierende Vorschriften zur Ein- und Ausfuhr von Kinderpornographie und zur Gewinnabschöpfung. Nicht nur Sprecherinnen der Opposition beklagten gestern, daß die strafrechtlichen Maßnahmen zu mild seien. Vor allem sei dem „Mord an Kinderseelen“ durch das Strafrecht allein nicht beizukommen. Aus allen Fraktionen wurde beklagt, daß trotz mehrfacher Anmahnung unverändert das Btx-System der Telekom als Vertriebsnetz für Kinderpornographie genutzt werde. Erika Simm warf Bundespostminister Schwarz-Schilling (CDU) vor, er leiste mit der Zulassung solcher Btx-Anbieter „objektiv Beihilfe zum sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen“.

In den nun anstehenden Ausschußberatungen, so wurde in der Debatte erkennbar, wird bei den strittigen Punkten noch Bewegung möglich sein. Das gilt für allem für das Strafmaß bei Besitz und die Frage der Verjährungsfrist. Schenk regte zu diesem Thema eine Anhörung an. Neben der SPD-Position (Verjährungsfrist ab 18. Lebensjahr der Opfer) und der der FDP (ab 14. Lebensjahr) zitierte sie die Meinung, daß in solchen Fällen die Frist überhaupt aufgehoben werden solle. Auch der SPD-Vorschlag begrenzt die Handlungsmöglichkeit der Betroffenen. Mit 28 Jahren müßte dann eine Frau abschließend sagen können, ob sie ihren Mißhandler anzeigt. Für viele Opfer, so zeigen die Erfahrungen aus den Beratungsstellen, sei das viel zu früh.

Den Tätern kann das „schmutzige Handwerk“ laut Familienministerin Hannelore Rönsch mit dem neuen Strafrecht gelegt werden. Nicht zum ersten Mal war erkennbar, daß das Familienministerium die dunklen Seiten der Familie nicht zur Kenntnis nehmen will. Unklar blieb der Rede Sinn, als Rönsch für Konzepte plädierte, die Sexualstraftaten an Kindern von engsten Angehörigen verhindern sollen. Aber welche?