Wie wird man Scientologe?

■ Und wie wird man wieder raus gesund? taz-Gespräch mit Norbert Potthoff, Einsteiger, Aussteiger, Scientology-Kenner

Norbert Potthoff ist wohl zur Zeit die einzige Privatperson, die Aufklärungsarbeit über die Scientology-Kirche leistet. Er weiß, wovon er spricht, er war mehrere Jahre lang dort Mitglied und Chef der Öffentlichkeitsarbeit in Düsseldorf. „Wir nennen ihn intern den Wurzelzwerg“, bekundete letztens Franz Riedl, Vize-Präsident der Scientology-Kirche in Hamburg, in einem Streitgespräch in Bremen. Doch Beschimpfungen und Drohungen haben Potthoff nicht daran gehindert, seine Arbeit weiterzuführen. Die taz sprach mit dem in Krefeld lebenden Norbert Potthoff.

taz: Wie sind Sie zur Scientology-Kirche gekommen?

Norbert Potthoff: Ich lernte Scientology 1981 durch eine Kundin in Krefeld kennen, langjährige Scientologin. Das Thema Scientology machte mich neugierig, man warf mir nur kleine Brocken hin. Es gibt eine Anweisung von Hubbard (dem verstorbener Guru der Sekte, d. Red.): Lassen sie die Leute auf ihre eigene Neugier in die Org. Das funktionierte nicht nur bei mir.

Was machte Sie neugierig?

Ich war zu dem Zeitpunkt an Philosophie insgesamt interessiert. Ich war an einen Punkt gekommen: Wie kann man all diese Ideen wirklich umsetzen? Da lernte ich eine Familie kennen, die sagte, Scientologiy ist anwendbare Philosophie. Da bin ich halt hin gegangen.

Wie war sie für Sie anwendbar?

Ich als Designer und Geschäftsmann habe die Erfahrung gemacht, daß ich häufig Schwierigkeiten hatte zu erkennen, legt dieser Mensch mich rein oder legt er mich nicht rein? Mich interessierte halt, kann man über eine anwendbare Philosophie herausfinden, ob Menschen zuverlässig sind oder nicht? Genau das haben mir die Scientologen bejaht: Man kann sie über die Emotionen erkennen, und dann kann man diesen Menschen einordnen und weiß dann auch, wie er jetzt und in Zukunft handeln wird. Das interessierte mich so brennend, daß ich mich auf diese Kurse eingelassen habe.

Hat sich das praktisch bewiesen?

Ja, man muß es natürlich so betrachten, wenn man an diese Dinge glaubt, dann sind sie einfach für einen wahr. Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt — und das ist einer der Punkte, warum es zum Ausstieg kam — daß die Kritierien von Hubbard gar nicht stimmen. Die Vorhersagbarkeit menschlichen Verhaltens ist ein glattes Gerücht. Das geht nicht.

Wie lange waren Sie dabei?

Ich war von 1981 bis Mitte 1985 im System drin, dann noch gut eineinhalb Jahre vom Denken her Scientologe. Kritische Aspekte hatte ich eigentlich von Anfang an, aber die habe ich nur gesammelt. Nach drei, vier Jahren kam der Punkt, wo die Kritik sich häufte. Ich mußte feststellen, daß man eine sehr merkwürdige Art von Rechtsauffassung hat, nämlich das Recht des Stärkeren. Der zweite Punkt war, daß ich während meiner Ausbildung als Manager, oft nach Kopenhagen mußte. Dort stellte ich fest, daß sich Scientology sehr intensiv mit Verkaufen beschäftigt. Außerdem sah ich in Kopenhagen die ganzen uniformierten Leute, erlebte das Strammstehen. Heute sage ich, daß es ein totalitäres System ist, strukturiert wie eine Militärdiktatur. Da war für mich klar, daß ich dieses System verlassen muß. Bei Faschisten wollte ich nicht arbeiten.

Wie wurde Ihr Ausstieg aufgenommen?

Ganz unterschiedlich. Manche versuchten mich nach Kopenhagen oder nach Amerika zu holen. Als ich mich mehr und mehr von der Ideologie trennte, kam es dann zu mehreren heftigen Eklats. Meine damalige Frau wollte einen neuen Vertrag in der Scientology unterschreiben. Ich war dagegen. Da begann dann eine Scientologin in Düsseldorf an der Seite zu ziehen, ich an der andern Seite, und das führte dann dazu, daß sie ganz reinrutschte und ich ganz rausging. Man gab sich also quasi mit meiner Frau zufrieden und ließ mich dann in Ruhe. Erst zu einem relativ späten Zeitpunkt also gut zwei Jahre nach meiner Lösung von Scientology, als ich die ersten Pressekontakte hatte, und in einem Zeitungsartikel zitiert wurde, erhielt mein damaliger Wohnungsvermieter Drohanrufe. Man sagte ihm, er habe ja Kinder, und er möchte doch wohl, daß die am nächsten Tag lebendig von der Schule zurückkehren. Mir wurde fristlos gekündigt. Ja, das waren die Repressalien, womit sie erfolgreich waren. Heute versucht man mit bestimmten Pressekonferenzen, einigen Pamphleten Falschmeldungen über meine Position in Scientology abzuwiegeln. Interview: Vivianne Agena