Neu im Kino: Land hinter dem Regenbogen

Neu im Kino:

Land hinter dem Regenbogen

hier bitte

den mann

mit dem

stalinkopf

Unter der roten Fahne treffen sich die LPG-Mitglieder täglich auf einem Misthaufen; die klotzige Statue von Karl Marx ist in einer Wüste abgestellt worden, und das Büro des ersten Kreissekretärs ist ein klappriges Toilettenhäuschen. Hervig Kipping hat für seinen ersten Spielfilm, der zugleich auch eine der letzten fertiggestellten Produktionen der DEFA-Studios in Babelsberg ist, einige sehr böse, unflätige und pointierte Metaphern gefunden, mit denen er den realsozialistischen Alltag in der DDR der frühen 50er Jahre beschreibt.

Es gibt da einen Baum, von dessen Ästen Schaufensterpuppen hängen, unter dem Pegasus weidet und eine Hexe herumschleicht: das ist zwar schon sehr plakativ, aber der Verleiher hatte ja gewarnt, daß wir es hier mit einem „Film des magischen Realismus“

zu tun haben.

Sinnbild stapelt sich auf Sinnbild, vor lauter Symbolik weiß auch der wohlmeinende Zuschauer bald kaum noch, wohin mit all diesen hochoriginellen Visionen. Spätestens wenn der stalinistische Großvater an einem schwarz — rot — goldenen Grenzpfahl gekreuzigt wird, beginnt man ungeduldig auf ein unbefrachtetes Bild zu warten.

Herwig Kipping konnte nach einer mühsamen Laufbahn im Kulturbetrieb der DDR erst als über Vierzigjähriger seinen ersten langen Spielfilm inszenieren. Da dies offenbar die letzte Möglichkeit war, einen so aufwendigen Film über das Leben im Sozialismus zu machen, hat er soviel von seinen Ideen, Gefühlen, Erinnerungen und Bildern, in die 89 Filmminuten gestopft, wie nur irgend möglich. Er hat eine überbordende Phantasie und viel Talent fürs Filmemachen, und das macht diesen Film brilliant, aber nicht gut.

Einzelne Szenen sind großes, perfekt inszeniertes Kino — etwa wenn der Altstalinist die Kinder des Dorfes umschmeichelt oder bedroht, damit diese ihre Eltern denunzieren. Ein verfallenes Fabrikgelände, eine Wüstenei und eine Sumpflandschaft sind die Drehorte, aus denen Kameramann, Beleuchter und vor allen Dingen der Ausstatter phantastische Alptraumlandschaften geschaffen haben. Die Musik von Gustav Mahler untermalt die getragen-melancholische Grundstimmung des Filmes; alles ist stimmig und stimmt dennoch nicht.

Denn im Grunde ist „Das Land hinter dem Regenbogen“ allzu verliebt in die eigene hochpoetische Seele. Die Gegenposition zu den alten, abgewirtschafteten Stalinisten ist dann auch von peinlicher Schlichtheit: ein schöner, blonder Jüngling steht als Regenbogenmacher für das Reine, Schöne, Wahre und ein süßes, kleines Mädchen rezitiert mit großen Augen und feierlicher Stimme kitschige Gedichte. Es ist bezeichnend, daß man sich schadenfroh über diese geschmacklichen Entgleisungen Kippings freut, und wenn der Regisseur das inzwischen endgültig ausgelutschte „letzte Abendmahl“ von da Vinci persifliert, macht ihn das fast schon wieder sympathisch.

Wilfried Hippen

Cinema, Mo., Di., 18.45 Uhr

Der Regisseur ist eingeladen