„Als wären sie Affen“

■ Aus Berichten und Gesängen der aztekischen Augenzeugen

Motecuhzoma schickt nach verschiedenen Prinzipalen. An deren Spitze stehen Tzihuacpopocatzin und zahlreiche weitere seiner Repräsentanten. Sie trafen die Spanier in der Nähe vom Popocatepetl, Iztactepetl, in der „Adlerschlucht“.

Sie gaben den Spaniern Flaggen aus Gold, Flaggen aus Quetzalfedern und Goldketten. Und als sie ihnen das gegeben hatten, strahlten die Gesichter der Spanier, sie freuten sich sehr und ergötzten sich daran. Als wären sie Affen, hoben sie das Gold in die Höhe. Sie setzten sich und machten sich breit mit einer Geste des Wohlgefallens, als ob sich ihr Herz erhellt hätte und sie neu geboren wären.

Und wie heiß begehren sie das Gold. Das Herz geht ihnen auf, sie vergehen sich vor Verlangen danach. Sie sind wie hungrige Schweine [im Nahuatltext steht „pitzome“, „Erdschweine“, A. d. Ü.]. Gierig reißen sie die Goldflaggen an sich, drehen und betrachten sie von allen Seiten. Wie jemand, der eine unverständliche Sprache spricht; alles, was sie sagen, ist unverständlich.

Die Spanier greifen die Mexikaner an

Während das Fest in vollem Gange ist, gesungen und getanzt wird, ein Lied dem andern folgt und die Gesänge wie ein Getöse sind, genau in diesem Moment entschließen sich die Spanier, die Leute umzubringen. Sie machen sich in voller Kriegsmontur dorthin auf.

Schließlich schließen sie die Ausgänge, Durchgänge und Eingänge: den „Adlereingang“ im kleinen Palast; den Acatl iyacapan- Eingang (Punta de la Cana), den Tezcacoac-Eingang [Serpiente de espejos, Spiegelschlange, A. d. Ü.]. Als sie alle verschlossen hatten, bezogen sie Posten: Niemand konnte mehr entkommen.

Nachdem alles vorbereitet ist, betreten sie unverzüglich den Geweihten Hof, um die Leute zu töten. Sie sind zu Fuß und tragen Schilder aus Holz und Metall und Schwerter.

Sofort umringen sie die Tanzenden und stürzen sich auf die Kesselpauken: Sie versetzten dem Spieler einen Hieb und schnitten ihm beide Arme ab. Dann enthaupteten sie ihn: Weit weg rollte sein abgetrennter Kopf.

Alle morden gleichzeitig, greifen die Leute mit der Lanze an, versetzen ihnen Hiebe und verletzen sie mit Schwertern. Einige griffen sie von hinten an; ihre Eingeweide lagen sofort verstreut auf dem Boden. Anderen spalteten sie die Köpfe: Sie zerschnitten und zerstückelten sie.

Wieder anderen versetzten sie Hiebe in die Schultern: Zerrissen und zerfetzt sind ihre Körper. Die einen verletzen sie an den Oberschenkeln, die anderen an den Waden, wieder andere im Unterleib. Alle Eingeweide fielen auf den Boden. Es gab einige, die noch vergeblich versuchten zu entkommen: Sie zogen ihre Gedärme hinter sich her und schienen sich mit den Füßen in ihnen zu verheddern. Darauf erpicht, sich in Sicherheit zu bringen, fanden sie keinen Ausweg.

Einige versuchten zu entkommen: Am Eingang wurden sie gefunden und erdolcht. Andere kletterten die Mauern hoch, konnten sich aber nicht retten. Wieder andere flüchteten sich ins Gemeinschaftshaus: Dort waren sie immerhin in Sicherheit. Andere versteckten sich zwischen den Leichen und stellten sich tot, um fliehen zu können. So retteten sie ihr Leben. Sobald sie aber aufstanden und gesehen wurden, wurden sie getötet.

Das Blut der Krieger floß, als wäre es Wasser: wie Wasser, das sich in einen Sumpf verwandelt hat. Der Gestank des Blutes und der Eingeweide, die zu kriechen schienen, stieg in die Luft empor.

Die Spanier gingen in alle Gemeinschaftshäuser: Überall versetzten sie Degenstiche und suchten nach einzelnen, die sich versteckt hielten; alles durchsuchten sie. Überall in den Gemeinschaftshäusern suchten sie.

Der Untergang des Mexicatlvolkes

Wehklagen überall, Tränen tropfen dort in Tlatelolco.

über das Wasser verschwanden schon die Mexikaner;

sie gleichen Frauen; alle sind auf der Flucht.

Wohin gehen wir? Oh Freunde! War es also wahr?

Sie verlassen schon Mexiko-Stadt:

der Rauch steigt auf; der Nebel breitet sich aus...

Weinend grüßen sie den Huiznahuacatl Motelhihtzin,

den Tlailotlácatl Tlacotzin,

den Tlacatecuhtli Oquihtzin...

Weint meine Freunde,

versteht, daß wir durch diese Vorfälle

die mexikanische Nation verloren haben.

Das Wasser ist schal geworden, das Essen versauert!

Das ist es, was der Geber aus dem Leben in

Tlatelolco gemacht hat.

Rücksichtslos wurden Motelhuihtzin und Tlacotzin fortgebracht. Mit Gesängen ermutigten sie sich gegenseitig in Acachinanco, ach, als sie dort in Coyoacan auf die Probe gestellt wurden...

Quellen: Mexikanische Lieder (Sammlung von mexikanischen Liedern), Manuskript aus dem XVI.Jahrhundert, aufbewahrt in der Nationalbibliothek Mexiko.

Ramirezkodex, „Beschreibung der Indianer, die in diesem Neuspanien leben, gemäß ihren Geschichten“. Verlag Leyenda, Mexiko, 1944.

Florentinerkodex (Nahuatexte der Informanten von Sahun), Bücher I, II, III, IV, V, VII, VIII und XIII, veröffentlicht von Dibble und Anderson: Florentine Codex, Santa Fe, Mexiko, 1950—1957.