Nicht die „Ereignisse beweinen“

■ Heute vor 500 Jahren landete Kolumbus in Amerika

Managua (taz) — Der Kreis tanzender Miskito-IndianerInnen von der nicaraguanischen Atlantikküste öffnet sich: Die TänzerInnen fassen guatemaltekische Maya-Indios, chilenische Mapuches, Quechuas aus dem Andenhochland, Crees aus Kanada an der Hand. Selbst mestizische ArgentinierInnen, SpanierInnen und Deutsche dürfen mittanzen. Diese Zeremonie bildete den Abschluß der Eröffnungsfeierlichkeiten des „3.Kontinentalen Treffens“ nach „500 Jahren Widerstand“ der indianischen und schwarzen Bevölkerung.

Die Nachkommen der Eroberten und der Eroberer demonstrierten damit, daß es nicht darum geht, „Ereignisse zu beweinen“, die vor fünf Jahrhunderten ihren Ausgang nahmen. Der Kongreß, der die offiziellen Kolumbus-Feiern als unpassende Würdigung des größten Völkermordes der Geschichte zurückweist, will vielmehr die Weichen für zukünftige Zusammenarbeit der überlebenden Urvölker des Kontinents und der Schwarzen stellen.

Mehr als 1.200 Teilnehmer aus fast allen Ländern des Kontinents nahmen an dem Kongreß teil, der heute, am Tag der Landung von Kolumbus in Amerika, in Managua zu Ende geht. Allerdings ist die von den indianischen Andenvölkern initiierte Bewegung nicht unumstritten, denn seit dem Treffen im vergangenen Jahr hat die Bewegung einen deutlich „antiimperialistischen“ Kurs genommen. Wichtige indianische Organisationen boykottierten daher die Veranstaltung.

Einfach ist die Zusammenarbeit nicht. Die Indianervölker haben unterschiedliche Probleme: Während die Kunas in Panama und die Miskitos, Sumus und Ramas in Nicaragua für die Konsolidierung ihrer Autonomie kämpfen, geht es für die guatemaltekischen Indios, die einer beispiellosen Repression ausgesetzt sind, ums Überleben. Die Kampagne setzt sich für spezifisch indianische Forderungen ein, wie das Recht auf das Land der Väter, auf Selbstverwaltung und zweisprachigen Unterricht. Doch stellt sie zunehmend allgemeinere Probleme in den Vordergrund: Arbeitslosigkeit, Kürzung der Sozialleistungen, politische Repression.

Aus der Kampagne soll eine kontinentweite Bewegung werden. Durch Einigkeit will man etwas in Bewegung setzen. Keine leichte Aufgabe, denn in manchen Ländern gibt es „viele Häuptlinge, aber wenig Indios“. Es fehlen also Aktivisten, die für die Umsetzung der Beschlüsse und die Organisation an der Basis sorgen könnten. Und in den karibischen Staaten Haiti und der Dominikanischen Republik gab es schon während der Vorbereitung der Kampagne mehrere Todesopfer. Ralf Leonhard