Gleiches Unrecht für alle!

■ Künftig nur 300 Mark für zu Unrecht erlittene Haft?

Berlin (taz) — Nur noch 300 Mark pro Monat sollen die Opfer bundesdeutscher Justiz für zu Unrecht erlittene Haft erhalten. Fernab der Öffentlichkeit, ohne eine Debatte, beschloß dies der Bundestag am vergangenen Donnerstag in erster Lesung und verwies die Gesetzesvorlage an die Ausschüsse.

Bisher erhielten Personen, die unschuldig im Gefängnis gesessen hatten, 600 Mark pro Haftmonat. Die Initiatoren der drastischen Kürzung, Abgeordnete von CDU/ CSU und FDP, argumentieren so: Da die Opfer der DDR-Justiz auf der Grundlage des gerade verabschiedeten „Unrechtsbereinigungsgesetzes“ ebenfalls lediglich eine Grundentschädigung von 300 Mark erhalten, müsse diese Ungleichbehandlung abgebaut werden.

Zynischerweise werden damit verschiedene Opfergruppen gegeneinander ausgespielt, wie die SPD in einer Pressemitteilung beklagt, und die „Entschädigungsspirale nach unten gedreht“. Bei den Beratungen des „Unrechtsbereinigungsgesetzes“ hatten Abgeordnete verschiedener Parteien die Entschädigungssumme für Opfer der DDR-Justiz noch mit dem Argument anheben wollen, daß Menschen, die im Westen zu Unrecht im Gefängnis saßen, 600 Mark erhalten. Dieses Argument soll nun im nachhinein entkräftet werden, indem eine Gleichheit im Unrecht geschaffen wird.

Das Bündnis 90/Die Grünen bezeichnen den Gesetzentwurf als einen „Coup“. Sie erinnern daran, daß das sogenannte „Strafrechtsentschädigungsgesetz“ erst vor rund eineinhalb Jahren von 300 auf 600 Mark erhöht worden war, weil eine Haftentschädigung von 300 Mark als „unwürdig und unzureichend“ eingeschätzt wurde. Die „Strafverteidigervereinigungen“ mahnen in einem Protestschreiben, daß die Herabsetzung die „Spaltung der Menschen in den alten und den neuen Bundesländern vertieft“. Diese Art der Gleichbehandlung sei unnachvollziehbar. Julia Albrecht