piwik no script img

Columbus beschlagnahmt Horten

■ Drittweltgruppen inszenierten Spektakel und nur ein Eingeborener setzte sich zur Wehr

Einen größere Überraschung hätte sich Christoph Columbus kaum ausdenken können. 500 Jahre nach der Landnahme Amerikas marschierte er gestern nachmittag völlig überraschend in Bremen ein.

Wohl 200 Eroberer hatte er mitgebracht, Matrosen, Soldaten, Kapitäne, Mönche und Schiffsjungen. Gewandet in alte Uniformen und Kutten, mit Maske und Trommeln. Vorbei marschierte der Zug an der christlichen Jugend, die vor dem Dom Schilder hochhielt, auf denen von 10 Millionen Kindern zu lesen stand, die in Brasilien auf der Straße leben. Vorbei an dem großen Transparen: „500 Jahre Columbus - 500 Jahre Kolonialismus“. Vorbei auch an den christlichen Frauen, die an das Schicksal von Blumenarbeiterinnen in der III. Welt erinnerten.

Und wo die laute Heerschaar des Eroberers vorbeikam, da klebten sie wahllos Zettel mit dem Wort „Beschlagnahmt“ an Rathauswände oder Schaufensterscheiben, hinter denen Schmuck, dicke Würstchen oder Ledertaschen lagerten.

„Dum Dum Dum“, donnerte es durch die Lloyd-Passage, und dann donnerte es plötzlich in den Verkaufräumen von Horten. SchmuckverkäuferInnen schüttelten ihre Köpfe oder faßten sich an selbe. So gar niemand schien zu begreifen, was die merkwürdigen Figuren mit den Glasperlen wollten, die sie zum Tausch gegen güldenes Geschmeide anboten. Nur eine hatte auf einem der hölzernen Boote gelesen: „Columbus kehrt zurück“ und preßte, ob des kolonialen Gehabes verschreckt, beide Hände vor dem Bauch ineinander.

Da hatte der Bischof schon die abgestellte Rolltreppe bestiegen, um eine Rede zu halten und das gesamte Hab und gut der christlichen Krone unterstellt. Der Schlachtruf „Lasset uns horten“ ertönte und es dauerte gar lange, bis sich der erste Häuptling der Einheimischen einfand, offfensichtlich leicht erregt ob der Eroberung seines Verkaufstempels.

Kameras wollte er beschlagnahmen, Reporter schubste er und überhaupt war seine Art von äußerster Ruppigkeit. Die Vermutung, die ein Kunde des Hauses äußerte: Das ist aber eine nette Werbeaktion, konnte offensichtlich so nicht stimmen. Und jetzt kamen noch andere Männer im gleichen blauen Anzug und drohten mit den einheimischen Soldaten. Doch ehe die mit ihren grünen Autos vorgefahren kamen, hatte sich die Eroberer schon aus dem Hause gemacht. Und ungehorsam waren diese Soldaten auch. Denn dem Verlangen „Festnehmen, Festnehmen“, das der immer noch auf's äußerste erregte Herr Horten ständig vorbrachte, mochten sie partout nicht folgen.

Und als der Zug sich dann aufgelöst hatte, um vielleicht noch bei den christlichen Gruppen vorbeizuschauen, die mit einem Kreuzgang durch die Stadt Buße für die Sünden der weißen Männer taten, da standen die Schmuckverkäuferinnen immer noch kopfschüttelnd aber sichtbar erleichtert vor ihren Vitrinen. Schnell beseitigten sie die Spuren der Eindringlinge und in der Hand hatten sie das Putzmittel –alklar–. Und das war's dann wohl auch wieder.

hbk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen