Entlastung durch die Humboldt-Uni

■ Semesterbeginn: Studenten aus dem Westen nutzen die Kapazitäten der Traditions-Uni Neuer Fachbereich Agrarwissenschaft an der Humboldt-Uni eröffnet

Berlin. Eine leichte Entlastung der Westberliner Universitäten durch die bislang nicht hinreichend genutzten Lehrangebote der Humboldt-Universität (HUB) deutet sich zu Beginn des Wintersemesters an.

Bei den Neuimmatrikulationen verzeichnen die Freie Universität (FU) wie die Technische Universität (TU) leichte Rückgänge, erläuterten die Pressesprecher der Hochschulen gestern. Die Gesamtzahl der Studierenden an der HUB wird dagegen mit diesem Semester erstmals 20.000 überschreiten. An der Humboldt-Uni eröffnete Marlis Dürkop gestern mit ihrem ersten Auftritt als Präsidentin der Hochschule vor StudentInnen den neu gegründeten Fachbereich Agrar- und Gartenbauwissenschaft. Er entsteht aus einer Verschmelzung der zuvor an der Technischen Universität angesiedelten AgrarwissenschaftlerInnen mit denen an der HUB. Die Präsidentin begrüßte das gute Hundert Neuimmatrikulierter an dem neugebildeten Fachbereich sowie die Studierenden und Angestellten der Technischen Universität. Die machten mit einem Transparent an der Rückwand des Hörsaals auf ihre schwierige Situation aufmerksam. „Es reiScht uns!“ titelten sie in Anspielung auf den Gründungsdekan des Fachbereiches, Erwin Reisch. Die ehemaligen TU-Leute protestierten dagegen, daß der Personalrat der TU für sie nicht mehr zuständig ist. Sie verlangten den Rücktritt von Erwin Reisch.

Der Professor von der Universität Hohenheim zeigte mit einem deutlichen Vergleich, wie gravierend Wiedervereinigungsfragen auch im Kleinen sind. Auf einer von den Rängen kaum erkennbaren Folie projizierte Reisch einen Eisenbahnzug an die Tafel, der den neuen Fachbereich darstellen sollte.

Nun gehe es darum, so der Professor, wer den Zug mit fester Platzkarte besteigen könne, und „wer bloß mitfahren darf“. Die TU-Angestellten aus dem Westen kämen dabei mit Arbeitsplatzgarantie, meinte Erwin Reisch, bei denen aus dem Osten sei das nicht so klar. Für die StudentInnen dürften die Hinweise auf die komplizierte Struktur des Fachbereichs und seiner Zusammenführung weitgehend unklar geblieben sein. Sie studieren an zwei Standorten (von den vielen Außenstellen im Berliner Umland abgesehen), dem alten der TU in Dahlem und dem schönen, maroden HUB-Gebäude in der Invalidenstraße in Mitte. Der neue Fachbereich hat drei Bereiche, die — so der Wunsch des Gründungsdekans — weitgehend frei kombinierbar sein sollen: Landwirtschaft, Gartenbau sowie Binnenfischerei und Gewässernutzung.

Wie sich die Studentenzahlen in Berlin entwickeln werden, wollten die Immatrikulationsbüros der Hochschulen nicht vorhersagen. Bis in den November sind noch Immatrikulationen und Nachrückverfahren möglich, für die ausländischen Studierenden können die Sprachprüfungen noch zur unüberwindlichen Hürde vor dem Studienstart werden. Um den Ansturm zu begrenzen, hat die FU den internen Numerus clausus ausgeweitet. Darunter fallen nun auch die Fächer Philosophie, Geschichte, Erziehungswissenschaft, Soziologie sowie Englisch und Nordamerikastudien. Helmut Hofmann, Verwaltungsleiter des Bereichs Geschichtswissenschaft der FU verspricht sich Entlastung dadurch, daß „Parkstudenten“ ausbleiben, baut aber vor allem darauf daß die HUB künftig stärker in Anspruch genommen wird. In der Geschichtswissenschaft zeichnet sich der abschreckende Effekt des Numerus clausus ab: Bisher haben sich nur rund 100 StudentInnen auf die 283 Plätze beworben.

Die Attraktivität der Westberliner Universitäten für StudentInnen aus den neuen Ländern ist dagegen ungebrochen. Der Ostanteil in Jura, aber auch in Erziehungswissenschaft beträgt bei den Neuimmatrikulierten 35 Prozent. ste/cif