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„Große Gelbe“ demnächst fahrerlos

■ 900 Busfahrer sollen bis Jahresende eingespart werden/ Gesamtpersonalrat: Betriebsfrieden im Eimer

Berlin. Die Geschäftsführung der BVG will bis Ende kommenden Jahres die Stellen von 900 Busfahrern, ein paar Dutzend Dienstzuteilern, Fahrlehrern und Fahrscheinverwaltern einsparen. Entlassen werden soll allerdings niemand, berichtete gestern Unternehmenssprecher Wolfgang Göbel und dementierte damit den Bericht eines Boulevardblattes. Nach einem Senatsbeschluß sollen die Verkehrsbetriebe bis 1995 insgesamt 3.707 Stellen abbauen. Knapp zwei Drittel der Arbeitnehmer (2.272) werde die Reichsbahn Ende kommenden Jahres übernehmen, die dann das gesamte Berliner S-Bahn-Netz betreiben wird, so der Sprecher. Die restlichen Stellen sollen durch Pensionierung, freiwillige Weggänge und Versetzungen eingespart werden.

Doch so einfach wie die Chefetage sich das Sparen vorstellt, scheint es nicht zu gehen. Von den derzeit etwa 5.700 Busfahrern würden monatlich 30 bis 50 aus dem Dienst ausscheiden, Studenten müßten aushelfen, sagte Wilfried Mehner, Gesamtpersonalratsvorsitzender. Den Widerspruch, in dieser Situation Stellen abbauen zu wollen, könne nur die Geschäftsführung aufklären. Und weil der Plan der Geschäftsleitung vorab öffentlich geworden sei, habe der Personalrat keinen Verhandlungsspielraum mehr. „Bisher war nur das Betriebsklima im Eimer — jetzt ist es auch der Betriebsfrieden“, resümierte Mehner gestern nach einer Sitzung, an der Personalräte aller zehn Bus-Betriebshöfe teilgenommen hatten. Obwohl der Personalrat die Notwendigkeit des Sparens begreife, könne die Vertretung zu allem nur noch nein sagen, um vor den Kollegen glaubwürdig zu bleiben.

Die Fraktion Bündnis 90/ Grüne bezeichnete die neusten Sparpläne als „Verkehrsinfarkts- Beschleunigungsprogramm“. 1.000 Busfahrerstellen streichen zu wollen sei ein Offenbarungseid des Verkehrssenators. Wer diese Arbeitsplätze abbaue, gleichzeitig aber die Zahl der Fahrgäste in den kommenden Jahren versechsfachen wolle, sei entweder grenzenlos dumm oder wolle die Öffentlichkeit in die Irre führen.

Unternehmenssprecher Göbel verteidigte die Sparpläne. Studenten sollen nur zu Spitzenzeiten wie bei Fußballspielen, Messen und anderen Großveranstaltungen beim Bus- und Bahn-Fahren aushelfen. Durch die Privatisierung von einem Achtel aller Buslinien bis Ende 1994 und die Rationalisierung betriebsinterner Abläufe könnten die vorgeschlagene Stellenzahl weggekürzt werden, ohne daß das Angebot im Bus- und Bahnnetz verschlechtert werden müsse. Dirk Wildt

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