Kiezattacke auf die „Yuppiekacke“

■ Kreuzberg: Brandanschlag-Serie auf Luxusautos/ Polizei verweist auf autonomen Aufruf: Abfackeln als „Volxsport“

Kreuzberg. Eine Serie von Brandanschlägen auf Luxuswagen in Kreuzberg beschäftigt zur Zeit den Staatsschutz. In der Nacht zum vergangenen Sonntag waren zwischen 23.40 und 0.45 Uhr kurz nacheinander fünf geparkte Autos der Marken Mercedes, Alfa Romeo und Volvo rund um Fichtestraße sowie am Paul-Lincke-Ufer durch Flammen schwer beschädigt worden. Der sechste Wagen, ein Porsche mit Schweizer Kennzeichen, blieb nur deshalb unbeschadet, weil ein Brandsatz nicht gezündet hatte. Der Staatsschutz hat noch keinerlei Hinweise auf die Täter, geht aber nach Angaben des stellvertretenden Leiters, Peter Haeberer, davon aus, daß es sich um Angehörige der „linksextremistischen Szene“ handelt. Haeberer verwies darauf, daß in der Nähe der Tatorte ein Bekennerschreiben mit den Worten „Todeszone für Spekulanten und Yuppie- Schweine“ gefunden und in der Autonomen-Zeitschrift Interim eine „klare Aufforderung“ zu Brandanschlägen auf teure Wagen in Kreuzberg abgedruckt worden sei. „Wir nehmen an, daß zwischen dem Interim-Artikel und den Taten ein Zusammenhang besteht.“

In dem zweiseitigen Artikel der Interim vom 1. Oktober unter der Überschrift „Neues aus der Berliner Wagensportliga im Superschwergewicht“ wird das Abfackeln von Luxuskarossen als „Volxsport“ hingestellt. Die „Berliner Wagensportliga“ sei bereits seit 1991 aktiv und wende sich gegen die „ins Unermeßliche“ steigenden Mieten und die Vertreibung von sozialen Einrichtungen aus dem Kiez, heißt es im Text. „Immer mehr Yuppiekacknasen tauchen in ,unseren‘ Vierteln auf. Ihr Aushängeschild sind oftmals ihre Luxuskarossen, die auch abends im Kiez zu sehen sind. (...) Wegen der „großen Nachfrage und weil die Saison 1991/92 nur ein Auftakt“ gewesen sei, heißt es weiter, gebe das „Schiedsgericht“ nun die Regeln für „interessierte Volxsportclubs“ öffentlich bekannt. „Zielobjekt“ seien „Luxuskarossen der Superschwergewichtsklasse“ wie „die neue S-Klasse von Mercedes-Benz, die 7er BMW- Reihe, neue Porsche, Jaguar, Rolls-Royce u.ä.“. „In Zahlen: 70.000 bis 100.000 DM sollten sie schon mindestens kosten.“

Anschließend beschreiben die Verfasser detailliert, was für Werkzeuge und Benzinmischungen „jeder Volxsportclub“ benötige und wie ein Wagen am besten binnen kürzester Zeit in Brand zu setzen sei. „Gefragt ist Mut, Teamgeist, aber auch Entschlossenheit zum vorzeitigen Abbruch des Spiels beim vorzeitigen Eintreffen gegnerischer Uniform- und Zivilhools“, heißt es weiter. Gewonnen habe am Ende derjenige Volxsportclub „mit dem höchsten Produkt aus der Summe an Spielen mal Listenpreise“. Der Artikel schließt mit einer „unvollständigen Tabelle der letzten“ und „ersten Ergebnisse der neuen Saison“. Das Ergebnis unter dem Strich: sieben Anschläge auf Wagen der Gesamtpreisklasse von 710.000 Mark. Als Teilnehmer aufgelistet sind die Gruppen „Bonzen FC-Investor“, „VC Dynamo Kreuzberg“, „Rote BMW Fraktion“, „FC Porsche“, „Die 3 von der Tankstelle“ und „Gib Bonzen keine Chance“.

Der stellvertretende Staatsschutzleiter erklärte auf Nachfrage, daß seiner Behörde vier der genannten Gruppen aus Bekennerschreiben im Zusammenhang mit Brandanschlägen auf Autos bekannt seien. Die Tabelle hält er jedoch für weit übertrieben. Auch von „einer Saison und Serien in dem Sinne“ könne nicht gesprochen werden. Der letzte bekannt gewordene Anschlag gegen zwei Wagen liege knapp anderthalb Monate zurück. Ermittelt würde jetzt nicht nur gegen die unbekannten Täter, sondern auch gegen die unbekannten Herausgeber und Verfasser des Interim-Artikels. Gegen letztere wegen Aufforderung zu Straftaten. Plutonia Plarre