Der schnellste Schlachthof der Welt

■ Beim Versuch, das Massaker-Pferderennen in Pardubice nahe Prag zu blockieren, wurden Tierschützer - zum Teil aus Berlin angereist - niedergeknüppelt

Berlin (taz) - Am Samstag hörte man in Prag und Umgebung die Pferdemetzger fröhlich die Messer wetzen und die Fans von Pferdewurst voller Vorfreude mit der Zunge schnalzen. Denn nur fünfzig Kilometer von der Hauptstadt entfernt, in Pardubice, fand das traditionelle Steeplechase-Rennen statt, bekannt auch unter dem Namen: der schnellste Schlachthof der Welt. Frischfleisch vom Feinsten ist dort garantiert.

Das „Velka Pardubice“-Rennen gilt, noch vor dem berüchtigten Grand National in England, als das grausamste und blutrünstigste der Welt. Schwer vorstellbar, wer sich vom Anblick abstrus abstehender Knochen, eingetretener Pferdebäuche, weit aufgerissener Augen und von gellendem Wiehern unterhalten fühlt. Doch das Rennen ist gut besucht, eben weil Hals- und Beinbruch fest zum Rennprogramm gehören. Das Formel-1-Syndrom eben, nur mit ungleich höherer Unfallquote.

Bestenfalls ein Drittel der Pferde erreichen nach 7.000 Metern mehr oder minder lebendig das Ziel. Der unglückliche Rest bleibt größtenteils nach einem gemeinen Sprung namens „Taxis“ mit gebrochenen Knochen auf der Strecke. Am Samstag forderte der „an Hinterlist nicht zu überbietende Sprung“ (Tierschützer) gar eine neue Rekord-Opferzahl: Mit acht schlachtreifen Pferden wurde die alte Bestmarke um einen Kadaver übertroffen. Auch für den Favoriten und viermaligen Pardubice-Sieger Zeleznik war nach Taxis diesmal Endstation Leben. Zu kurz war sein Satz über die zwei Meter breite und ebenso hohe Hecke. Er landete in dem dahinterliegenden tiefen Graben. Seine traurigen Fans dürfen ihn ein letztes Mal genießen, zwischen zwei Brötchen, mit Senf und Ketchup.

Beim Training lassen die Liebhaber des Sports mit Tieren den Taxis-Graben aus, aus Angst, daß sich ihr Pferd nach diesem traumatischen Erlebnis weigern würde, den Sprung zu wiederholen. Zum besseren Verständnis: Stellen Sie sich einen Hindernisgraben vor, wie bei der Leichtathletik üblich. Nur daß die Hürde etwa 1,50 Meter im Quadrat groß und der anschließende Wassergraben trockengelegt ist. Das ungefähr wäre Taxis für Menschen - ein sicherer Halsbrecher.

Sieben weitere Pferde erwischte es am Samstag an anderen der insgesamt dreißig Barrikaden, von den fünfzehn gestarteten Tieren erreichten nur fünf das Ziel.

Doch ganz so in aller Stille wie bisher - in 102 Rennen starben 29 Pferde allein am Sprung Taxis - geht die blutige Schlächterei nun nicht mehr weiter. Die Greuelgeschichte vom Pardubicer Wurstfest drang über die Grenzen der CSFR ins Ausland und rief die internationalen Tierschutzbrigaden auf den Plan. Am Berliner Heinrichplatz klebten Plakate autonomer Tierschützer, die zur Protestaktion in Pardubice aufriefen: „Für Pferde ist das Rennen aussichtslos. Die Besucher wollen sich am tödlichen Spektakel ergötzen, und Gedanken an öffentliche Hinrichtungen, Gladiatorenkämpfe und Steinigungen drängen sich auf. Wir werden versuchen, diese Todeshatz zu blockieren.“

Beim Versuch ist es dann auch geblieben. Kurz vor Beginn der Quälerei strömten über hundert Tierretter auf die Bahn und blockierten den verhängnisvollen Sprung. Der Start wurde aufgeschoben, doch die gewaltliebende Rennbahnleitung war offenbar auf die Gegenaktion vorbereitet gewesen. Verdächtig schnell war eine Einsatzmannschaft Polizei in Kampfausrüstung vor Ort. Unter heftigem Einsatz der Holzknüppel trieben und schleppten sie die Demonstranten von der Bahn.

Eine halbe Stunde später fiel der Startschuß, der den Tod von zehn Pferden besiegelte. Michaela Schießl