Vorwärts mit dem jungen „Fritz“

■ Der ORB nach einem Jahr: Stolz auf die Eigenständigkeit

Vor einem Jahr wurde mit der konstituierenden Sitzung des Rundfunkrates die jüngste ARD- Anstalt, der Ostdeutsche Rundfunk (ORB), gegründet. Knapp einen Monat später hatte man mit dem WDR-Mann Hansjürgen Rosenbauer auch einen Intendanten gefunden, und am 1. Januar 1992 flimmerte zum ersten Mal das ORB-Emblem (roter Adler) über den Schirm. Als „Mattscheibe Brandenburg“ wollen die MacherInnen ihr Streben um eine „eigenständige“, „schlanke“ und „kooperationsfreudige“ Anstalt verstanden wissen. „Sehr gut geglückt ist uns die Eigenständigkeit“, resümiert Hansjürgen Rosenbauer. Weniger erfolgreich gestaltet sich hingegen die Zusammenarbeit mit dem Hauptstadt-Sender SFB. Statt im Fernseh- und Hörfunkbereich — wie verabredet — gemeinsame Programme anzubieten, lehnt sich jeder der beiden finanzschwachen Sender an eine große und jeweils politisch näherstehende ARD- Anstalt an: Der SFB wird vom MDR umarmt (beide Intendanten kommen vom Bayerischen Rundfunk), und der ORB flirtet seit neuestem mit dem NDR.

Am tiefsten sind die Gräben im Hörfunkbereich gezogen. Die im Februar vorschnell getroffene Übereinkunft der beiden Intendanten, ab Juli beziehungsweise Oktober auf zwei Hörfunkwellen zu kooperieren, scheiterte schon im Ansatz. Statt einer gemeinsamen Jugendwelle von Rockradio B (ORB) und Radio 4U (SFB) stehen beide Programme kurz vor dem Aus. Am 19.Oktober entscheidet sich in Berlin, ob das teils als „innovativ“ gelobte Radio 4U (Einschaltquote zwischen vier und fünf Prozent) eingestellt wird. Im Dezember geht ein Teil der Rockradio-B-Macher nach einem programmlichen Facelifting als „Fritz!“ in die Luft. Dabei hat „Fritz!“ schon vor Sendestart einige Schönheitsoperationen durchmachen müssen: vom wortlastigen, rockigen Jugendprogramm zur durchhörbareren Jugendwelle und wieder zurück.

In Potsdam operieren zur Zeit ein paar Experten um Koordinator Jürgen Itzfeld (ex-Vorwärts) am „Fritz!“-Outfit. Über die Musik soll ein Massenpublikum erreicht werden — man schielt auf die Quote (derzeit 1,5 Prozent). Mit dem Wort will man speziell „die jungen Leute zum Radiohören verführen“, so Intendant Rosenbauer. Ein Rias-Redakteur hat die populäre Musikfarbe zusammengemischt (Klassik-Rock-Pop-Format). Das mit Ansprüchen vollgepfropfte Wortkonzept wurde unter anderem von Hörfunkdirektor Gerhard Hirschfeld (ebenfalls ex- Vorwärts) erstellt. „Fritz!“, das buchstabiert sich wie folgt: F — Frisch, R — Radikal, I — Informativ, T — Tabufrei und Z — Zukunftsoffen. Aber Achtung: „Fritz!“ ist kein „Minderheitensender für Intellektuelle und solche, die es sein wollen“. „Fritz!“ schwört auf das Prinzip der „Sofortinformation“: Die Meldungen kommen frisch aus dem Nachrichtenticker sofort über den Sender. Nach dem obligatorischen Frühprogramm, das wie alle Morgenmagazine aus Uhrzeit, Wetter, Verkehr und mehr besteht, folgt ein Tagesbegleitprogramm: „Themenoffen ohne spezielle Sendeachsen“. Am Abend soll „auch mal der Hörer mitanpacken“. „Fritz!“ bietet ein Programm mit starker Hörerbeteiligung, „eine Spielart von Offenem Radio, bei dem allerdings die Redaktion die Regie behält“. Man nehme ein bißchen Formatradio, mische es mit einem Schuß Offenem Kanal, fertig ist das Programm für „Metropole und Land“. Wenig verwunderlich, daß die Potsdamer bislang keinen Chefredakteur für die Mixtur gefunden haben. „Ich könnte mir übrigens auch eine Gruppe von Leuten vorstellen, die das machen“, meint Rosenbauer. Der für November vorgesehene Starttermin ist derweil auf Dezember verschoben. Zum einen, weil die Redaktion Zeit zum Üben braucht, zum anderen, weil man hofft, daß bis dahin ein paar abwicklungsbedrohte Radio-4U-Mitarbeiter bereit sein werden, den „Fritz!“-Plänen professionelles Leben einzuhauchen. Ilona Marenbach