Ärmellos

■ „Strictly Ballroom“: Ein Film von Baz Luhrmann

Es beginnt wie ein Bericht aus einer Sportsendung. Ein Tanzturnier, rückwärts wird der vorgefallene Skandal aufgerollt. Augenzeugen, Verwandte, Trainer werden zu dem Vorfall befragt und sind erschüttert.

Tanzchampion Scott Hastings hatte es gewagt, eigene Schritte einzubauen, gegen die Regeln zu tanzen. Seine Mutter, selbst Tanzlehrerin, fragt sich, was sie falsch gemacht hat, ihr Sohn war schließlich auf dem besten Wege, den „Pan-Pacific Grand Prix“ zu gewinnen. Scotts Partnerin läßt ihn stehen, die Suche nach einer neuen gestaltet sich schwierig, bis das eigentlich untalentierte und häßliche Entlein Fran mit ihm die richtigen falschen Schritte und die Liebe findet.

Nach allerlei lateinamerikanischem Getanze, Intrigen und Kisten voller Herzschmerz naht das unvermeidliche, umfassende Happy-End. Das Paar liegt sich in den Armen, Völker und Klassen versöhnen sich, der Bösewicht ist besiegt, und Millionen Teenies schluchzen. „Strictly Ballroom“ erzählt dieselbe Geschichte wie der Film, der Patrick Swayze zum Star machte. Es gibt nur einen Unterschied: „Dirty Dancing“ war ernst gemeint.

Regisseur Baz Luhrmanns Mutter war Tanzlehrerin, er selbst nahm an Turnieren teil, seine eigene Biographie stand also Pate für die Figur Scott Hastings. Vielleicht deshalb bewegt sich Luhrmann stets auf den vorgegebenen Gleisen. Das übliche Strickmuster des Genres ist exakt beibehalten: Der Held wird von Neidern und Mißgünstigen bedrängt, findet aber dann das sommersprossige Mauerblümchen, das zu ihm hält und sich flugs zum schönen Schwan ohne Sommersprossen wandelt. Man sieht die harte Arbeit, die hinter der lächelnden Perfektion steckt, gerne im romantischen Gegenlicht. Die Männer tragen beim Training ärmellose Unterhemden, auf ihren Oberarmen glitzern Schweißtröpfchen, wenn sie die Frauen in heroischer Pose durchs Bild schleudern.

Doch umgesetzt hat Luhrmann die kitschige Geschichte nicht wie eine Reminiszenz an Gene Kelly und Leslie Caron oder Fred Astaire und Ginger Rogers. „Strictly Ballroom“ erinnert stilistisch eher an einen anderen großen Tanzfilm. Auch wenn „Le Bal“ als Blick aus dem Mikrokosmos eines Tanzsaals auf den Lauf der Geschichte ein anderes Thema hatte, verbindet ihn doch mit „Ballroom“ der ironische, manchmal fast spöttische Blick hinter die Kulissen, hinters zentimeterdicke Make-up, hinter Pailetten und Glimmer. Da stürmt die Mama, der Prototyp der Tennismutter, mit einem erstarrten Grinsen durch die Tanzschule, verschwindet hinter einer Tür, und die Gesichtszüge entgleiten ihr, weil Sohnemann sie wieder einmal schwer enttäuscht hat. Doch sie packt ihre Gesichtslappen hoch wie einen Anzug, den man ausschüttelt.

Luhrmann versucht die Faszination darzustellen, daß ein jedermann am Abend mit den richtigen Klamotten und den richtigen Bewegungen zum Held im Märchenland werden kann. Aber er entlarvt auch die verlogene Scheinheiligkeit in der geschlossenen Gesellschaft der Tanzsportler. Dazu benutzt er Fischaugenobjektive, die die solariumgestählten Gesichter aufblähen, oder ein Spotlight, das völlig unerklärlich ausgerechnet dann über dem Protagonisten aufleuchtet, wenn der sich in einer existentiellen Krise befindet. „Strictly Ballroom“ ist ironische Reminiszenz an die glorreichen Tage des Genres in den 30ern und 40ern und vor allem eine überaus gelungene Komödie. Wer nicht zumindest eine klitzekleine Schwäche für Pomp und Kitsch hat, wird ihn nicht ertragen, aber den an ihn in Cannes vergebenen „Prix de Jeunesse“ hat er ohne Zweifel verdient. Thomas Winkler

Baz Luhrmann: „Ballroom — Die gegen alle Regeln tanzen“. Buch: Luhrmann, Craig Pearce, Kamera: Steve Mason. Mit Paul Mercurio, Tara Morice, Bill Hunter, Pat Thompson. Australien 1992, 94 Minuten.