Palästinensischer Hungerstreik ausgesetzt

■ Der Protest gegen die Haftbedingungen in israelischen Gefängnissen wurde für eine Woche unterbrochen/ Israels Polizeiminister Schachal sagt Verbesserungen zu

Tel Aviv (taz) - Mehrere tausend palästinensische Gefangene, die seit Ende September im Hungerstreik gegen die Bedingungen in israelischer Haft sind, wollen ihren Protest für eine Woche aussetzen. So formulierten palästinensische Quellen in den besetzten Gebieten gestern einen Beschluß der Häftlinge. Sie hätten den Streik ausgesetzt, nachdem Polizeiminister Mosche Schachal (Arbeitspartei) zugesagt habe, die Gefängnisverwaltung werde einigen der Beschwerden sofort abhelfen. Ein Teil der Häftlinge setzte den Streik gleichwohl fort. Schachal sprach hingegen von einem „Abbruch des Hungerstreiks“.

Die Häftlinge protestierten unter anderem gegen Bedingungen, unter denen 105 von ihnen in Isolationshaft gehalten werden, darunter einige in den unterirdischen Isolationszellen der Gefängnisse von Beersheba und Ramleh. Nach einem Bericht des Vorsitzenden der Anwaltskammer im Gazastreifen, Freih Abu Meidan, sind manche der Isolationsgefangenen ununterbrochen angekettet. Im übrigen bezieht sich der Protest auf körperliche Mißhandlungen, Restriktionen bei den Besuchsregelungen und Anwaltskontakten, Überbelegung der Zellen, schlechte Versorgung, um nur einige der Hauptkritikpunkte zu nennen. Internationale Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international haben der israelischen Regierung wiederholt schwere Vorwürfe wegen Folter und Mißhandlung Gefangener gemacht. Der Hungerstreik löste eine Serie von Solidaritätskundgebungen und Demonstrationen aus, an denen sich letzte Woche zehntausende von Palästinensern in den besetzten Gebieten beteiligten. Die israelische Regierung hatte daraufhin die Armeeinheiten erheblich verstärkt, im Gazastreifen wurde über 500.000 der insgesamt 700.000 Bewohner Ausgangssperre verhängt. Bei Zusammenstößen erlitten am Wochenende wieder mehr als 100 Palästinenser und zwei israelische Grenzpolizisten Verletzungen. Unter den durch Schüsse getroffenen Demonstranten gab es drei Tote und mindestens sechs Schwerverletzte. Auch in den meisten arabischen Städten und Dörfern Israels fanden am Wochenende Veranstaltungen zur Unterstützung der palästinensischen Häftlinge statt. Sprecher der israelischen Araber hatten mit einem Generalstreik gedroht.

Die vom Kommandanten der israelischen Besatzungstruppen am Westufer bereits totgesagte Intifada sei durchaus lebendig, gaben israelische Zeitungs-Kommentatoren angesichts der massiven Proteste zu. Selbst der Kommandant der Truppen am Westufer, Brigadegeneral Mosche Yaalon, mußte am Sonntag eingestehen, daß es zu einer Intensivierung des Widerstands gekommen sei. Zuletzt hätten sich 2.000 Häftlinge in vollem Hungerstreik befunden, während andere Gefangene bereits eine minimale Überlebenskost zu sich genommen hätten. Abu Meidan hingegen sprach von zuletzt viertausend Hungerstreikenden. Insgesamt seien derzeit 13.000 Palästinenser in „Sicherheitshaft“.

Palästinenser protestierten gestern auch gegen das Eindringen israelischer Polizisten und Soldaten in die Gebäude des Roten Halbmonds (des arabischen „Roten Kreuzes“). Palästinenserinnen führten dort Solidaritätsstreiks mit den Häftlingen durch.

Amerikanische und ägyptische Diplomaten in Tel Aviv haben ihrer Besorgnis darüber Ausdruck gegeben, daß die für den 21.Oktober geplante Wiederaufnahme der bilateralen Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern in Washington nicht vom Fleck kommen werden, wenn die Frage der streikenden Gefangenen weiter im Vordergrund steht. Die israelische Regierung müsse außerdem „neue Formeln“ vorlegen, mit denen die großen Differenzen über den Charakter der „Autonomie“-Zwischenlösung überbrückt werden könnten.

Der Vorsitzende der Anwaltskammer, Freih Abu Meidan, soll dem israelischen Polizeiminister Mosche Schahal bei einer Zusammenkunft am Freitag gesagt haben: „Das jüdische Volk versteht nicht, was los ist. Es ist blind gegenüber der unglaublichen Demütigung der Palästinenser. Wir Palästinenser haben uns trotz allem bereit erklärt, am Friedensprozeß teilzunehmen. Die Verhandlungen sind bereits seit einem ganzen Jahr im Gange, und doch hat sich in den besetzten Gebieten nichts geändert. Unsere Erniedrigung und Entrechtung geht weiter, wie unter Schamir. Wieviele Tote und Verletzte muß es denn noch geben, welches Ausmaß muß die Katastrophe annehmen, bis die Leute merken, was hier eigentlich los ist?“ Amos Wollin