Ross Perot schlägt Bush und Clinton

Die erste Fernsehdebatte zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten bringt dem Außenseiter einen Publikumserfolg/ Nächste Runde kommt heute: Quayle gegen Gore  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Mit einer Debatte im eigentlichen Sinn hatte die erste direkte Konfrontation der US-Präsidentschaftskandidaten nichts zu tun. Das Frage-Antwort-Spiel zwischen George Bush, Bill Clinton und vier Journalisten erinnerte mehr an eine Fahrprüfung nach dem „Multiple-Choice“-Verfahren. Man mußte schon sehr unausgeschlafen sein, um die falsche Antwort zu geben.

Die Überraschung des Abends war zweifellos der Auftritt Ross Perots. Er trug nicht, wie allgemein erwartet und von den Republikanern erhofft, zur Konfusion und Verunsicherung Clintons bei, sondern nutzte seine Redezeit für gezielte Attacken gegen das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung. Vor allem aber hörte man dem Texaner an, daß seine Antworten nicht unzählige Male durch Wahlkampfberater und Zielgruppentests geliftet und geglättet worden sind. Perot konnte ab und zu jenen Kontrast herstellen, der ihn ihm Frühjahr zu so enormer Popularität verholfen hatte. Als Präsident Bush auf die Frage nach dem größten Unterschied zu seinen Konkurrenten seine Amtserfahrung ins Spiel brachte, stimmte Perot dem Präsidenten scheinheilig zu: „Ich habe keine Erfahrung damit, wie man eine Staatsverschuldung von vier Billionen Dollar anhäuft.“ Wenn diese Art von Expertise gefragt sei, „dann bin ich der falsche Mann“.

Das Publikum in der Sporthalle der Washington Universität in St. Louis — von den Organisatoren angehalten, Sympathiekundgebungen zu unterlassen — brach in spontanes Gelächter und Beifall aus. Bush und Clinton wirkten gegen Perot aalglatt und und in ihren Statements vorprogrammiert.

Patriotismus als Wahlkampfersatz

Bush konzentrierte sich darauf, Clintons Kritik an der Wirtschaftspolitik als Pessimismus zu kritisieren, das ökonomische Programm des Gouverneurs von Arkansas als Anleitung zur Steuererhöhung auf Kosten der Mittelklasse. Wie erwartet wiederholte er die Attacken gegen Clintons Engagement gegen den Vietnamkrieg vor 23 Jahren. Clinton hatte sich damals mit allen erlaubten Tricks der Einberufung entzogen und sich an der Organisation von Friedensaktionen beteiligt, was er im Verlauf des Wahlkampfs nur häppchenweise zugegeben hat. In den letzten Tagen vor der TV-Debatte hatten die Republikaner ihre Negativkampagne gegen den Demokraten eskaliert, nachdem öffentlich wurde, daß Clinton während seines Studiums in Großbritannien an Anti-Vietnamkrieg-Demonstrationen teilgenommen hatte und 1969 als Tourist nach Moskau gereist war. Daraus wurde von Bush und von republikanischen Abgeordneten die Unterstellung konstruiert, Clinton habe sich mit KGB-Agenten getroffen. Bush wurde darauf vorgeworfen, Methoden des McCarthyismus anzuwenden.

Es war Clintons stärkster Moment in der Debatte, als er Bush und die Fernsehnation daran erinnerte, daß unter anderem ein Senator aus Connecticut namens Prescott Bush, Vater des Präsidenten, damals gegen McCarthy und dessen Oppositionellenhatz unter dem Banner des Patriotismus Stellung bezogen hatte. „Ich war gegen den Vietnamkrieg, aber ich liebe mein Land“ — mit diesem Schlußsatz erntete Clinton den stärksten Applaus. Seine wiederholten Bemühungen, sich als Propheten der Hoffnung und des Umschwungs zu präsentieren, quittierte das Publikum dagegen mit nur verhaltenem Beifall.

Mit Überraschung wurde registriert, daß Bush im Verlauf der Debatte ankündigte, er werde im Fall seiner Wiederwahl James Baker mit der Wirtschaftspolitik des Landes betrauen. „Ich werde ihm sagen, er soll in der Innenpolitik jetzt das tun, was er in der Außenpolitik getan hat.“ Baker, den Bush als Stabschef ins Weiße Haus zurückgeholt hatte, um seine Wahlkampagne zu reorganisieren, hatte mehrfach deutlich gemacht, daß er ins Außenministerium zurück will. Baker haftet als Außenpolitiker die Reputation des Erfolgs an, die Bush als Präsident so sehr fehlt. Ihn nun zum zweiten Mal als Rettungskommando gegen die drohende Wahlniederlage einzusetzen gilt allgemein als Verzweiflungstat.

Einen lebendigeren Abend erhofft man sich nun von der zweiten Debatte am kommenden Donnerstag, bei der nicht vorgefertigte Fragen von Journalisten den Verlauf bestimmen. Unter Leitung eines Moderators könnte tatsächlich eine Diskussion entstehen. Heute abend „debattieren“ die Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten Dan Qualye, Al Gore und James Stockdale. Dan Quayle hat bereits im Vorfeld um Nachsicht gebeten: Er, der Sohn einer reichen Verlegerfamilie aus Indiana, habe in seiner Jugend nur öffentliche Schulen besucht, sein demokratischer Gegner, Sohn einer reichen Politikerfamilie aus Tennesse, aber die teuersten Privatschulen. Al Gore könne daher viel besser reden als er selbst.