: Streit um Solidarpakt
IG Metall widerspricht Möllemanns Vorstoß für Lohnöffnungsklauseln ■ Aus Hamburg Martin Kempe
„Herr Möllemann, wir danken Ihnen für die klaren Worte. Wir haben verstanden.“ Mit einer geharnischten Antwort setzte gestern auf dem IG-Metall-Kongreß in Hamburg der IGM-Vorsitzende Franz Steinkühler das öffentliche Pingpong-Spiel zwischen Gewerkschaften und Regierung um einen Solidarpakt für Ostdeutschland fort. Der Bundeswirtschaftsminister hatte sich eindeutig für tarifliche Öffnungsklauseln nicht nur im Osten, sondern auch im Westen ausgesprochen. „Wir haben gestern einen Solidarpakt angeboten, Möllemann hat heute einen abgesagt“, stellte der IG-Metall-Vorsitzende fest und forderte den Bundeskanzler auf, erst einmal für Klarheit in der Regierung zu sorgen. Nicht nur Steinkühler, auch sein Widerpart auf der Arbeitgeberseite, Hans Joachim Gottschol, hält nichts von Möllemanns West- Vorstoß, mag sich aber mit Öffnungsklauseln im Osten durchaus befreunden.
Die Erklärung Steinkühlers bildete den Schlußpunkt für eine wenig engagierte Debatte der über 700 Delegierten des Gewerkschaftstags über die Gewerkschaftspolitik der letzten drei Jahre. Obwohl der industrielle Zusammenbruch in Ostdeutschland und die damit einhergehende Massenarbeitslosigkeit die Grundfesten der gewerkschaftlichen Politik in Gesamtdeutschland erschüttert, meldeten sich nur wenige ostdeutsche Delegierte zu Wort. Und die Westdeutschen stellten sich der innergewerkschaftlichen Ost-West- Spannung kaum.
Deutlicher war die Sehnsucht nach klaren Fronten zum „Kapitalismus“, die der hessische Delegierte Rolf Knecht artikulierte. „Wir brauchen wieder mehr erkennbare Wahrheiten“, rief er dem Saal zu und wurde mit heftigem Beifall belohnt.
Unbequeme Wahrheiten wurden nur außerhalb des Kongreßsaals ausgesprochen. Der Stuttgarter Bezirksleiter Walter Riester hatte schon vor Beginn des Gewerkschaftstages kritisiert, man könne nicht gleichzeitig im Osten mehr Mittel für Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, für Vorruhestand und Dauerkurzarbeit fordern und gleichzeitig die daraus folgenden Beitragserhöhungen der Arbeitslosenversicherung im Westen als Sozialabbau anprangern.
Auch die vorsichtige Mahnung Steinkühlers zu Beginn des Gewerkschaftstages, Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit seien auch in den eigenen Reihen der Gewerkschaft zu finden, wurde kaum aufgegriffen. Ein Stuttgarter Delegierter mußte feststellen: „Unsere Kollegen in den Betrieben haben die Reps gewählt.“ Und Brigitte Ziegler aus Berlin vermißte konkretes gewerkschaftliches Engagement: „Was ist umgesetzt worden von den Patenschaften für Asylbewerberheime?“ Martin Kempe
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