Blechlawine soll doch durchs Tor rollen

■ Verkehrssenator gegen historische Wiederherstellung des Pariser Platzes/ Angeblich nicht genügend Platz für Autos

Berlin. Die Idee der CDU/SPD- Koalition, Busse und Taxen durch das Brandenburger Tor fahren zu lassen, war nur der Griff nach dem »kleinen Finger«. Gleich zwei Senatsverwaltungen wollen jetzt die ganze Hand: Berlins Autofahrer sollen mit Fertigstellung des Regierungsviertels das Denkmal durchfahren, mindestens aber unmittelbar umfahren dürfen — so stellen sich die beiden Verwaltungen für Stadtentwicklung und Verkehr die künftige Straßenführung im Zentrum der Stadt vor.

Uneinigkeit besteht nur darüber, wie viele Autos das Nadelöhr passieren sollen. Herribert Guggenthaler, Leiter der Arbeitsgruppe „Gestaltung des öffentlichen Raumes“ in der Stadtentwicklungsverwaltung, hält für Autos eine Spur je Richtung für ausreichend. Der Busverkehr aus Ost und West soll gar mit einer einzigen Fahrbahn auskommen — Ampeln sollen die Vorfahrt regeln. Nach den Vorstellungen der Stadtentwicklungsverwaltung soll der Weg der Blechkarawane durch das Symbol der deutschen Einheit führen. Denkmalschutzaspekte seien noch nicht geprüft.

Die Verkehrsverwaltung besteht im Gegensatz zu dem Hause von Volker Hassemer (CDU) auf mindestens vier Fahrspuren. Auf der gestrigen Senatspressekonferenz sprach sich Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) vehement gegen eine Lösung mit „einbahnigen Dorfstraßen“ aus. Weil nicht genügend Wagen durch das Wahrzeichen paßten, müsse neben dem Tor Platz für Blechkarossen bleiben. Deshalb wende sich der Senator gegen die historische Wiederherstellung des Pariser Platzes, berichtete gestern sein Sprecher Tomas Spahn. Ob Hassemer von Haases neuer Stadtplanungsidee weiß, war gestern nicht zu klären. Der Stadtentwicklungssenator hatte erst diese Woche auf dem Pariser Platz Bilder enthüllt, auf denen eine dreigeschossige Bebauung gezeigt wird, die direkt neben den beiden vorhandenen Torhäuschen beginnt.

Eine sogenannte weite Umfahrung des Tores sei nicht möglich, hieß es aus beiden Verwaltungen. Die dafür nötige Clara-Zetkin- Straße (nördlich) führe am Reichstag vorbei, und die Behrenstraße (südlich) müßte durch die Ministergärten verlängert werden. Über diese Straßen werde der Verkehr nur während des Baus des Regierungsviertels gelenkt, danach wolle die Bundesregierung durch ihr Viertel keine Ost-West- Pendler fahren lassen. Nach dieser Zwischenlösung, die etwa fünf Jahre gelten soll, müsse der Autoverkehr durchs oder ums Tor, sagte Spahn, denn die nächsten Ost-West-Verbindungen seien völlig überlastet — im Süden die Leipziger Straße, im Norden die Invalidenstraße. Dirk Wildt