■ Ob der Entschließungsantrag der Regierungskoalition in Sachen Asyl Bestand hat, wird sich zeigen: Rüttelmixtur
Es lohnt sich, genau hinzusehen. Der Entschließungsantrag der Regierungsparteien zur Asylpolitik stellt die Koalition hart auf die Probe. De facto verhandeln drei Fraktionen, denn CDU und CSU trennen in dieser Frage mindestens taktische Differenzen. Unter solchen Bedingungen entstehen immer Papiere, die den Beteiligten Interpretationsspielräume lassen. Bestenfalls eine Rüttelmixtur aller vorliegenden schlechten und weniger schlechten Ideen zum heiklen Thema Asyl wird also am Donnerstag im Bundestag verhandelt. Über den genauen Weg zu einer Grundgesetzänderung gibt die Koalition nach wie vor keine klare gemeinsame Auskunft.
Ein Entschließung just for show, weil die Regierung dem Publikum endlich etwas vorweisen will? Das hieße, den Vorgang zu unterschätzen. Erstens, an dieser bitteren Erkenntnis führt kein Weg vorbei, kann sich gerade die CSU eine Siegesurkunde ausstellen, obwohl sie sich mit einem gemeinsamen Produkt am wenigsten anfreunden kann. Denn schon die Verhandlungen um den Entschließungsantrag besiegeln, daß sich die Union gegen den liberalen Koalitionspartner mit ihrem Stehsatz durchgesetzt hat. Der Artikel 16 wird geändert. Zweitens aber zeigt sich, daß über die Art, den Inhalt und die rechtliche Ausgestaltung einer solchen Änderung das letzte Wort noch längst nicht gesprochen ist. Die Bereitschaft, das Grundgesetz zu ändern, muß keine finale Situation schaffen, in der das individuelle Recht von politisch Verfolgten zwangsläufig entfällt. Darum muß gekämpft werden, gegen die Anmaßungen der CSU, und dafür muß geworben werden, gegen den Druck der ausländerfeindlichen Stimmungen.
Es wäre kurzsichtig, die Absichtserklärungen der FDP zugunsten des Individualrechts zum bloßen Lippenbekenntnis zu machen, ebenso wie es mit Blick auf die SPD unangemessen ist. Viel wäre gewonnen, wenn sich die klügsten JuristInnen der Liberalen und der SPD einmal die Frage vorlegten: Welche Rechtsgrundlagen brauchen wir denn, um den Verfolgten einklagbaren Schutz zu geben, den Armutsflüchtlingen ein Einwanderungsrecht und Kriegsflüchtlingen eine vorübergehende Bleibe? Jede Nacht erleben wir, wie eng der Spielraum für die Vernunft hierzulande geworden ist. Jedes Zipfelchen Vernunft muß also festgehalten und optimal genutzt werden. Die CSU ist gewohnt, Druck zu machen. Dieser Druck muß umkehrbar sein. Tissy Bruns
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