Preiswert in den Tod?

■ Billig Busreisen - Urlaubsvergnügen mit eingebautem Risiko

— Urlaubsvergnügen mit eingebautem Risiko

Todesgefährt Reisebus. Die Serie der schweren Busunglücke in den letzten Wochen beschäftigt auch den Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Auf einer Podiumsdiskussion des HVV verhandelten am Dienstag abend hochkarätige Experten die Frage, wer schuld ist an den tödlichen Unfällen: Die mangelhafte Technik der Fahrzeuge oder der bodenlose Leichtsinn einzelner Busfahrer? Oder ein mörderischer Preiskampf der Unternehmen, auf Kosten der Sicherheit?

Das Fazit der Experten: Die Sicherheits-Technik der Busse ist fast zu perfekt, die Bedingungen aber, unter denen die Chauffeure ihre Fahrzeuge steuern, provozieren die grausamen Crashs. Der harte Preiskampf der Billiganbieter, die etwa Wochenend-Busreisen nach Paris schon ab 99 Mark anbieten, läßt keinen Spielraum mehr für die Sicherheit. Fahrer werden, so berichtete ÖTV-Sprecher Dieter Meike, weit unter Tarif bezahlt, müssen reichlich Überstunden fahren, um ihre Familien zu ernähren. Ein anwesender Busfahrer: „Ich bin schon mehr als einmal am Steuer eingeschlafen, doch wenn ich weniger fahre, reicht das Geld nicht“.

Um Personalkosten zu sparen, lassen die Unternehmen oft nur einen Fahrer die Passagiere durch ganz Europa kutschieren - Fahrtzeiten von bis zu 26 Stunden durchgehend sind die Folge. Auch werden aus Kostengründen die Ausbildungszeiten der Fahrer immer weiter verkürzt, Sicherheitsschulungen, etwa ein Schleudertraining, bekommen die Fahrer oft nicht bezahlt. Viele Chauffeure erhalten keine ausreichende Einweisung in neue Cockpit-Techniken, denn Zeit ist Geld. Ein Busfahrer: "Wir wissen deshalb nicht, wie sich unser Fahrzeug im Krisenfall verhält“.

Ein weiterer Grund für die Überforderung des Lenkrad-Personals: Immer mehr Staus auf den Autobahnen verlängern die Fahrzeit; der Fahrer aber kann nicht Dienst nach Vorschrift machen, wenn er seine Passagiere rechtzei-

tig zum gebuchten Nachtquartier bringen muß. Lothar Zademack, Leiter des technischen Aufsichtsdienstes der zuständigen Berufsgenossenschaft, prognostiziert, daß durch die Öffnung des EG-Binnenmarktes 1993 der Konkurrenzdruck weiter wächst, die Sicherheit gleichzeitig sinkt.

Die technische Sicherheit der modernen Reisebusse wurde von allen anwesenden Fachleuten als hoch eingeschätzt, doch es fehlen wissenschaftliche Studien zu diesem Thema. Die letzte, vom Forschungsministerium 1990 geplant, wurde abgebrochen. Begründung: „keine Ereignisse“ - im Klartext: keine Busunglücke mit Todesfolge. Das aber hat sich geändert, grundlegend. Marco Carini