Saubermann Bérégovoy?

■ Sein Antikorruptionsgesetz ist im französischen Parlament umstritten

Paris (taz) — Frankreichs Premierminister Bérégovoy wollte sich dem Volk als Saubermann präsentieren: Kampf gegen die Korruption und „moralische Aufrichtung“ des Landes hatte er in seiner Antrittsrede im April angekündigt. Die Bestechlichkeit sei zusammen mit Arbeitslosigkeit und Unsicherheit eine der „drei Geißeln, die die französische Gesellschaft demoralisieren“. In aller Eile schusterte die sozialistische Regierung ein „Antikorruptionsgesetz“ zusammen, das jetzt im Parlament beraten wird. Wichtigster Punkt: Parteien und ihre Kandidaten dürfen von Unternehmen keinen einzigen Centime mehr annehmen. „Was könnte einen Bürger daran hindern zu denken, daß dort, wo gespendet, auch Einfluß ausgeübt wird?“ fragte der Premierminister. Mehrere Firmenchefs, besonders aus der Baubranche, bestätigten im französischen Fernsehen, daß sie alle Parteien regelmäßig schmieren, um sich dadurch Aufträge und andere Vorteile zu verschaffen.

Doch die Abgeordneten der Regierungspartei machen Bérégovoy einen Strich durch die Rechnung. Gemeinsam mit der Opposition weigerten sich die Sozialisten am Dienstag in der Nationalversammlung, dem Antikorruptionsgesetz zuzustimmen. „Ich bin doch nicht sadomaso“, protestierte die Sozialistin Yvette Roudy. „Ich bin es leid, daß man mich als korrupt darstellt.“ Eine Reihe von Parlamentariern zweifelt allerdings auch an der Charakterstärke des eigenen Berufstandes. Sie warnen: Ein radikales Verbot könne die Praxis der heimlichen Geldkoffer beleben. Die staatliche Parteienfinanzierung reicht ihrer Ansicht nach nicht aus. Jetzt arbeitet das Parlament an einem Kompromiß, der den Geldfluß von Firmen zu Parteien auf 80.000 Mark pro Kandidat begrenzen soll.

Damit dürfte das eigentliche Ziel der Initiative scheitern: Mit seinem Vorschlag wollte Bérégovoy die PS als auf Moral bedachte Partei rehabilitieren. Für viele Franzosen reimt sich PS heute auf Parteispendenaffären. Gegen mehrere sozialistische Politiker wird ermittelt. Der letzte Schlag war am 14. September die Anklageerhebung gegen den früheren Schatzmeister der Partei und heutigen Parlamentspräsidenten Henri Emmanuelli wegen „Unterschlagung und Beteiligung an passiver Bestechung“. Nach Ansicht des Untersuchungsrichters Van Ruymbeke trug Emmanuelli Verantwortung für die sogenannten „Studienbüros“ Urba und Gracco. Diese Firmen waren eigens dazu da, für die PS Bestechungsgelder anzunehmen und reinzuwaschen. Der Direktor einer solchen Firma erklärt das Prinzip der Geldbeschaffung: „Im Bausektor erlangt man sehr oft einen Markt, indem man den Entscheidungsträgern Vorteile gewährt.“

Erst als diese Praktiken 1989 aufflogen, wurde die Parteienfinanzierung in Frankreich gesetzlich geregelt. Zugleich verfügte die Regierung eine Amnestie für „alle Delikte im Zusammenhang mit Wahlen“, die vor dem neuen Gesetz stattgefunden hatten. Damit konnten die meisten Gewählten der Justiz entkommen, nicht jedoch ihre Zwischenhändler. Diesen Freispruch haben viele Franzosen den Sozialisten nicht verziehen. Das Ansehen der PS hat weiter dadurch gelitten, daß sie mehrmals versuchte, die Justiz zu manipulieren, um ihre Affären zu vertuschen. Gerüchte, wonach dem Richter Van Ruymbeke der Fall des Studienbüros Urba entzogen werden könnte, verstummten erst am Dienstag: Der oberste Gerichtshof wies einen erneuten Antrag der Verteidigung ab, die Parteispendenaffäre aufgrund von Verfahrensfehlern an einen anderen Richter zu übergeben und damit zu verschleppen. Bettina Kaps