Touristenflut am Stausee

■ Über 50 stark gefährdete Pflanzenarten versinken im Rottachsee

Kempten/Sulzberg (taz) — Die jahrelangen Proteste von Umweltschützern und betroffenen Bauern sind allesamt fehlgeschlagen. Rund 80 Millionen Mark wurden investiert, um in einem der biologisch wertvollsten Allgäuer Täler einen kleinen Bach zu einem großen See aufzustauen. Gestern nun wurde der umstrittene Rottachsee offiziell eröffnet.

Über 100.000 Orchideen, mehr als 50 Pflanzen von der roten Liste gefährdeter Arten, wertvolle Libellenvorkommen, Auwälder und Streuwiesen mußten 300 Hektar Lebensraum opfern. Das hielt Herbert Huber, Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, nicht davon ab, den Stausee bei der Eröffnungszeremonie als Stabilisator der ökologischen Verhältnisse in Donau und Iller zu preisen. Protestierende Naturschützer wurden derweil auf einen Parkplatz abgedrängt.

Aufgestaut ist der Rottachsee schon seit gut einem halben Jahr. Längst hat er seine erste Saison als Bade- und Surfparadies hinter sich. Und längst auch hat sich die Euphorie bei den Bürgermeistern der Seegemeinden gelegt. Denn nicht selten drängten sich 1.500 und mehr Pkw auf die 225 ausgewiesenen Parkplätze — und die umliegenden Wiesen. „Riesige Verkehrsströme haben sich zum Rottachsee hinaufgewälzt, unser Verkehrsaufkommen ist rapide gestiegen. Viele Bürger haben sich heftig beschwert“, berichtet der Sulzberger Bürgermeister Günther Steinle.

Für die Natur seien die rund 25 Millionen Kubikmeter Wasser des Rottachspeichers ein riesiger Gewinn, findet Albert Göttle vom Wasserwirtschaftsamt in Kempten. Die Verbesserung der biologischen Lebenssituation in Donau und Iller rechtfertige den gewaltigen Eingriff. Schließlich sei der Stausee gebaut worden, um bei Niedrigwasser in den beiden Flüssen Wasser nachzuschießen und damit etwa ein Fischsterben zu verhindern.

Daß der Stausee angelegt wurde, um geplante Atomkraftwerke an den beiden Flüssen mit Kühlwasser zu versorgen, wie Naturschützer argwöhnten, will Armin Schaupp, Projektleiter des Wasserwirtschaftsamtes, nicht bestätigen. Er gibt allerdings zu, daß das Mehrwasser in Iller und Donau „den bestehenden Kraftwerken zugute kommt“. Ingesamt gesehen sei der Bau des Stausees ein Gewinn für die Natur. Klaus Wittmann