Woher kommt die Leukämie?

■ Blutkrebs in der Elbmarsch: Zwei Kommissionen fahnden nach den Ursachen

Zwei Experten-Kommissionen betreiben derzeit Ursachenforschung in Sachen Leukämie: Ab Ende 1989 erkrankten in der Gemeinde Elbmarsch dort sechs Kinder und ein Jugendlicher innerhalb von nur 16 Monaten an Blutkrebs — eine überaus außergewöhnliche Häufung in einem so kurzem Zeitraum. Alle Kinder wohnen in wenigen hundert Metern Entfernung vom Atomkraftwerk Krümmel und von den beiden Atomforschungsreaktoren der GKSS.

Erst als der Arzt der Gemeinde und der Verleger des örtlichen Anzeigenblattes öffentlich Alarm schlagen, reagieren die niedersächsischen Behörden. Vor anderthalb Jahren übernimmt eine Experten- Kommission, die bisher die Ursachen für eine Leukämiehäufung im Raum Sittensen untersucht hat, den „Fall Elbmarsch“. Leiter der Kommission ist Professor Wichmann von der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF) im bayerischen Neuherberg, einer ehemaligen Zweigstelle des Kernforschungszentrums Karlsruhe. Die GSF wird zu 90 Prozent von der Bundesregierung finanziert. Vier GSF-Mitarbeiter sind Berater in der Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundesumweltministeriums.

Die 15köpfige Kommission untersucht sämtliche Umweltschadstoffe auf einen möglichen Zusammenhang mit den Leukämiefällen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß Radioaktivität die Ursache ist, befaßt sich lediglich eine Professorin, die Bremerin Inge Schmitz-Feuerhake, mit dem Strahlen-Problem.

Ende 1991 kann die von Bürgern in der Elbmarsch gegründete Initiative durchsetzen, daß die Landesregierung in Kiel ebenfalls eine Expertengruppe ins Leben ruft. Deren einziges Thema: Ist Radioaktivität die Ursache für die Erkrankungen? Mit Dr. Harder und Dr. Kellerer sitzen gleich zwei Mitglieder aus dem Beraterstab von Bundesumweltminister Töpfer in dieser Kommission.

Vertreter etwa des Öko-Instituts Darmstadt oder der Gruppe Ökologie Hannover hingegen sind weder von der vorgeblich atomkritischen SPD-Regierung Schleswig- Holsteins noch von der rot-grünen Regierung in Niedersachsen in eine der Kommissionen berufen worden. Dirk Seifert