Durchs Dröhnland
: Tangerine Dream, über einen Schrottplatz stolpernd

■ Die besten, schlechtesten, wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Dort, wo Norddeutschland am nördlichsten ist, in Aurich gründeten sich Mitte der achtziger die Subway Surfers. Von da ist die Reise bis zum nordamerikanischen Festland noch relativ kurz und vielleicht haben die seefahrenden Ostfriesen noch vor den Wikingern einen Abstecher dorthin unternommen. Offensichtlich ist jedenfalls die Affinität vieler Bands von den vorgelagerten Inseln zum Gitarrenrock der Neuen Welt. Neben den Strangemen herausragende Vertreter sind die Subway Surfers, die auf ihrer letzten LP „Dreamworld“ merklich melodischere Töne eingeschlagen haben und so einige Puristen des wahren Lärms verschreckt haben. Dafür finden sich auf „Dreamworld“ jede Menge potentielle Hits in würziger 2 1/2-Minuten- Kürze wie „60 Hours“, was mir persönlich extrem angenehm aufstößt. Für Punkrock sind sie zu nett, für Metal auch, für eine Party aber genau richtig.

Am 16.10. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Str.157, Schöneberg, und am 18.10. um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg, Kopischstraße 7

F/i existierten bereits sechs Jahre, als sie 1989 das erste Mal außerhalb ihrer Heimatstadt Milwaukee spielten. Doch seitdem hält es sie kaum noch zu Hause. In Europa, vor allem im deutschsprachigen Raum, dürften sie inzwischen weit bekannter sein als in den USA. Ihr hochintellektualisierter Psych-Rock paßt auch irgendwie besser hierher. Ihre letzte Platte „Earthpipe“ beginnt mit einem zwölfminütigen elektronischen Gefiepse und Gezirpe, als wären Tangerine Dream über einen Schrottplatz gestolpert. Zwar haben sich F/i über die Jahre von einer Industrial-Band hin zur klassischen Rockbesetzung verändert, aber die Elektronik ist aus ihren Instrumentals nicht wegzudenken. Sie selbst sehen sich in der Tradition von Can oder der frühen Pink Floyd. Gesungen wird äußerst selten in ihren Stücken, die oft länger sind als zehn Minuten, und wenn, dann auf der Platte nur von Gastvokalisten. Live sind F/i monoton, auf- und abschwellend, mit obskuren Geräuschen mitten im Stumpfrock und Ausflügen in jazzige Gefilde.

Am 17.10 im Eimer

„Ich versuche, die Gitarre zu spielen, wie man sie nicht spielen sollte, und das so minimal und einfach wie möglich“, erklärt David Lester selbst sehr genau, wie sich Mecca Normal anhören. Ungewöhnlich an dem Duo aus Vancouver ist, daß diese zum Dilettantentum neigende Gitarre mit nichts weiter als der Stimme von Jean Smith kombiniert wird, die ähnlich kreischend und sägend mittut. Mit diesem reduzierten Konzept, das weit entfernt ist von der heimeligen Sentimentalität üblicher Folklorebarden, und ihren kritischen Texten sind Mecca Normal schon lange gern gehörter Stammgast in den College-Radios. Auch die anderen Gesichter Amerikas haben eine Stimme.

Mit Subway To Sally am 17.10. um 22 Uhr auf der Insel, AltTreptow 6

Die Trio-Besetzung mit Gitarre, Bass und Schlagzeug verhindert schon im vornherein großmächtigen Bombast und sorgt dafür, das Augenmerk mehr auf den Song zu richten und dessen musikalische Umsetzung nur mit den nötigsten Mitteln zu betreiben. In der Beschränkung liegt eben auch Genialität im Zeitalter der immer größeren Ausdifferenzierung der Stile. Das Trio wurde im Postpunk spätestens nach Hüsker Dü zur beherrschenden Bandkonstellation. Auch Jawbreaker stehen in dieser Tradition, können aber selbst auch auf eine ehrenvolle Legende zurückblicken. Hervorgegangen sind sie aus den überaus unterschätzten und in Europa nahezu unbekannten Descendents, die auch der Brutkasten für All waren, die letztes Wochenende hier spielten. Doch während All eher die Punkseite der Descendents weiterführen, widmen sich Jawbreaker den rockigeren Angelegenheiten. Zwar stolpern auch sie des öfteren Hals über Kopf nach vorne, aber meist beherrscht die für Punkrock geradezu epische Gitarrenarbeit von Sänger Blake Schwarzenbach die Songs. Zudem sind Jawbreaker in der Lage, Melodien zu schrieben und zu spielen, ohne in kindliches Geträller zu verfallen oder auch nur eine Spur Härte zu verlieren.

Am 17.10. um 22 Uhr, K.O.B.

Geradezu übergroße Vergangenheit besitzen Love Battery. Sänger und Gitarrist Ron Nine war vormals bei Room Nine, Bassist Jim Tillman bei den U-Men. Beide Bands fanden zu ihrer Zeit kaum Beachtung, gelten aber inzwischen als die Großväter der Seattle-Szene, die den Grunge erfand und sich durch den Erfolg von Nirvana mitten im Herbstschlußverkauf befindet. Trommler Jason Finn spielte schon für Helios Creed oder Skinyard, nur der zweite Gitarrist Kevin Whitworth hat keine ähnlichen Referenzen anzubieten. Love Battery spielen zwar einen schweren Hardrock, der aber relativ weit vom Grunge entfernt ist, sondern sein Heil in der leichtverdaulichen Melodie sucht. Dabei gelingen ihnen zwar einige wunderhübsche Perlen, aber der Vorwurf, anderen an die Fleischtöpfe nachdrängen zu wollen, bleibt ihnen nicht erspart. Aber wen kümmert das? Love Battery sind hart und hübsch, melodiös und metallen. Was will man mehr?

Am 17.10. um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg

D-Base 5 sind die neuen und, wenn man es recht bedenkt, die ersten Berliner Sterne am prosperierenden Funk-Metal-Himmel. Sie finden die güldene Mitte zwischen der metallenen Schwere von Mordred und der funkigen Leichtigkeit der Red Hot Chili Peppers. Und sie sehen gut genug aus, um demnächst Karriere zu machen. Auch dabei ist Steve Binetti, seines Zeichens der beste Jimi-Hendrix-Epigone in der Stadt, und dazu steht er auch. Sein „Castles Made Of Sand“ ist fast noch schöner als das Original.

Am 18.10. um 22 Uhr im Trash, Oranienplatz, Kreuzberg

Auch der Tip für die sanfteren Gemüter unter uns soll nicht fehlen. Myra Melford wird allüberall als grandiose Jazz-Pianistin gefeiert, die mit ihrem Trio die Skala zwischen wohltemperiertem Bar- Piano und hart brechenden Free- Jazz-Momenten beherrscht. Die verschiedenen Elemente wechseln sich innerhalb der Stücke rasend ab, ohne daß der Fluß gebrochen oder gar das intellektuelle Gähnen provoziert würde, das sich sonst bei den üblichen Free- Kopfgeburten gerne einstellt. Stammend aus dem Dunstkreis des New Yorker Avantgarde- Zentrums Knitting Factory, wird Melford eine große Zukunft vorhergesagt und das, obwohl die schüchterne Frau eher dem Klischee einer Musiklehrerin entspricht.

Am 19.10. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg Thomas Winkler