Geheimdienst wacht über Ex-Geheimdienst

■ Verfassungsschutz soll fortbestehende MfS-Strukturen durchleuchten/ Entwurf für neues Gesetz im Ausschuß

Berlin. Das Landesamt für Verfassungsschutz soll ein neues Tätigkeitsgebiet erhalten. Neben den klassischen Observationsfeldern des Links- und Rechtsextremismus sowie der Spionage sollen sich die beamteten Späher künftig den „früheren, fortwirkenden unbekannten Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen DDR“ widmen. Das sieht der Entwurf eines neuen Verfassungsschutzgesetzes vor, den die Regierungsfraktionen ins Abgeordnetenhaus eingebracht haben und der gestern im Verfassungsschutzausschuß beraten wurde.

Bei den Oppositionsfraktionen stieß dieser Passus auf heftige Kritik. Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Grüne, Renate Künast, monierte, daß diese Regelung zu unbestimmt sei. Sie sei zwar auch dafür, „daß man bei dem Verein aufpaßt wie ein Luchs“, doch dürfe es kein Sonderrecht für Ex- Mitarbeiter des MfS geben. Falls deren Wirken noch eine Gefahr darstelle, befand FDP-Abgeordneter Werner Wiemann, sei dies eine polizeiliche Aufgabe.

Auch der rechtspolitische Sprecher der CDU, Andreas Gram, sah in den früheren, fortwirkenden Strukturen einen „Spezialtatbestand“. Den müsse der Verfassungsschutz jedoch überwachen, weil nicht genau bekannt sei, ob er dazu diene, extremistische Strukturen vorzubereiten. Gegenüber der Öffentlichkeit, so sorgte sich Gram, dürfe nicht der Eindruck entstehen, „daß wir das unterschätzen“. Die SPD-Abgeordnete Helga Thomas begründete ihre Zustimmung damit, daß immerhin viele Abgeordnete an der Offenlegung der Strukturen interessiert seien. Auch der CDU-Abgeordnete Günter Toepfer wollte wissen, „wohin die sich entwickeln“. Dagegen wandte Reinhard Schult vom Neuen Forum ein, daß bei 33.000 Mitarbeitern des ehemaligen MfS in der Stadt das Landesamt diesen gesetzlichen Auftrag kaum erfüllen könne, ohne daß das Personal aufgestockt werde. Zudem könne nicht Sinn der Geschichtsaufarbeitung sein, daß ein Amt über ein anderes Informationen sammle. Staatssekretär Armin Jäger von der Innenverwaltung versprach, daß die Aufgabe ohne Personalaufstockung erledigt werde.

Auch der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka formulierte Bedenken, immerhin sei eine Observation der Stasi-Strukturen eine Novität, die vom Bundesgesetzgeber nicht vorgesehen sei. Deshalb mahnte Garstka an, darauf zu achten, daß die entsprechenden Datenschutzrechte auch in diesem Bereich zur Anwendung kommen. Der Ausschuß stimmte mit der Mehrheit der Regierungsparteien der Aufnahme der Stasi- Strukturen in den Aufgabenkatalog des Landesamtes zu. In zwei Wochen sollen die Beratungen fortgesetzt werden. Unter anderem soll dann über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in Wohnungen und der Observation Minderjähriger durch den Verfassungsschutz entschieden werden. dr