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PDS muß nicht für Knast in der DDR zahlen

■ Kuo klagt gegen PDS als SED-Erbin/ „SED war mit der DDR identisch“

Berlin (taz) – „Es ist endlich an der Zeit, daß sich die Opfer des SED-Unrechtsstaates an die Verantwortlichen wenden, und nicht an die Bundesregierung“, sagt Xing-Hu Kuo, dessen Klage gegen die PDS gestern vor dem Berliner Landgericht abgewiesen wurde. Die „Verantwortlichen“ sind für den heute 52jährigen die Riege des SED-Politbüros, die nach Kuo die DDR verkörperten. Als Nachfolgerin der SED will er heute das Vermögen der PDS anzapfen. Sie soll den Schaden ersetzen, den Kuo im Gefängnis an Leib und Gesundheit erlitten hat. Er saß ab 1965 zunächst 18 Monate in Untersuchungshaft und dann sechs Jahre in Bautzen II, dem berühmt-berüchtigten Gefängnis für politische Häftlinge, fünf davon in einer Isolationszelle. Aus heiterem Himmel war der Dolmetscher an der chinesischen Botschaft in Ostberlin 1965 von mehreren Männern der Staatssicherheit verhaftet worden.

Juristisch ist Kuos Klage, die er bis zum Bundesgerichtshof treiben will, höchst brisant. Opfer der DDR-Justiz sollen grundsätzlich nach dem sogenannten „Unrechtsbereinigungsgesetz“ abgewickelt werden. Danach erhalten sie gerade mal 300 Mark pro Monat für zu unrecht erlittene Haft. Nach diesem Gesetz stünden Kuo schlappe 26.000 Mark zu. Sollte Kuo seinen Prozeß in irgendeiner Instanz gewinnen – er will Ansprüche in Höhe von einer Million Mark geltend machen –, wäre augenblicklich eine Lawine losgetreten. Alle anderen Justizopfer würden sich mit der gleichen Argumentation an das Vermögen der PDS machen. Kuos Argumentation allerdings steht auf wackligem Boden. Nach dem Einigungsvertrag sind Klagen aus „unerlaubter Handlung“, also Schadensersatzforderungen wegen der Verletzung von Leib und Gesundheit, dann ausgeschlossen, wenn die schädigende Handlung vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 begangen wurde. Ein weiteres Hindernis stellt die Frage dar, ob die SED als Vorgängerin der PDS direkten Einfluß auf Kuos Verfahren nahm.

Richter Jochen Knobloch sah es als unstrittig an, daß die PDS, vertreten durch die Anwälte Friedrich Wolff und Johannes Eisenberg, möglicher und richtiger Klagegegner ist. Nicht folgen mochte er aber der Argumentation von Kuos Anwälten, dem Ehepaar Jutta und Eberhard Wendel. Sie stellten dar, daß die SED mit dem Staat DDR identisch gewesen sei und daß daher die Verurteilung Kuos der SED bzw. PDS zuzurechnen ist. Diese „vage Kausalität“ genüge nicht, meinte der Richter. Viemehr hätte nachgewiesen werden müssen, daß die SED auf Kuos Fall „direkten Einfluß genommen habe“. Für die SED war „der Fall Kuo nur ein kleiner Fisch“, um den die SED-Oberen sich nicht weiter gekümmert haben, resümierte der Richter. Julia Albrecht

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