■ Press-Schlag
: Sport meets Art

Viele Leute waren es nicht, und ausschließlich Mitglieder der Kunstszene, die am Dienstag in Berlin einer eigentümlichen Paarung beiwohnten. Denn Kunst und Sport lieben sich nur selten. Treiben sie es doch miteinander, kommt meist eins heraus: Mehr oder weniger ernsthafter Zirkus. Tatsächlich scheint der Sport erst ofiziell kunstfähig zu werden, wenn er sein Wesen aufgibt: das der strengen Normiertheit. Nicht die Bewegung kennzeichnet den Sport, sondern sein einheitliches Regelwerk, das weltweite Vergleichbarkeit ermöglicht. In der Kunst spielt dagegen die Ästhetik die entscheidende Rolle. Kunst lebt von der Einzigartigkeit, der Subkjektivität.

Dieser Wesensunterschied von Sport und Kunst hat den US-amerikanischen Sänger und Schlagzeuger David Moss gereizt. Der in Berlin lebende Künstler ließ sechs extrem starke Performer und vier Weltklassesportler in der Schöneberger Sporthalle zu „Physical acts“ aufeinandertreffen, um die Frage zu stellen: „Gibt es Kunst am Rande der Selbstbeherrschung?“ Moss widerstand der Versuchung, die meist unverbundenen Welten zwanghaft zu verbinden. Er ließ seine Akteure nacheinander ihre Wirkung erzielen. Abenteuerlichen Geräuschproduktionen am Schlagzeug mit gestammeltem Gesang folgte eine getanzte Lesung, abgelöst von der in absoluter Stille vorgetragenen Bodenturnübung der Kunstturnerin Anke Schönfelder. Olympia-Medaillist Andreas Wecker performte an den Ringen, nach ihm ein Bläser, der, nervös tänzelnd, aus Gegenständen wie einem Gummischlauch Töne, Rhythmen, Musik zauberte. Nur einmal trafen sich die beiden Welten: Weckers zweite Ringeübung, eine spezielle Shownummer, wurde von schriller Saxophonmusik begleitet.

„Ich finde die Verbindung prima, Kunstturnen ist doch auch Kunst“, bekennt sich Andreas Wecker zu einem weiter gefaßten Sportbegriff, der auch vor der muffigen Umkleidekabine nicht halt macht: Selbst dort wurde wild performed und gelärmt. Auch Sergej Bubka, der beste Stabhochspringer der Welt, zeigte sich amüsiert: „Natürlich ist das gewöhnungsbedürftig, aber so wird der Sport wirklich interessanter. Ein richtiger Weg.“

An den Berliner Sportschaffenden ging dieser Weg allerdings spurlos vorüber. Die Presse-Einladungen wurden nur an die Kulturredaktionen verschickt. Ein Fakt, den Mitorganisator Rudi Thiel, Sport-Meetings-Direktor und Verbindungsmann zu den Sportlern, zutiefst bedauert. „Ein bißchen Kultur würde Sportjournalisten und Funktionären bestimmt nichts schaden. So was wie hier öffnet doch den Horizont“, urteilt der kulturliebende Chef des Olympischen Sportklubs Berlin. Doch schon seine Schatzmeisterin sieht das anders: „Das ist doch keine Musik hier, das sind doch lauter Geräusche. Tut mir leid, dafür fehlt mir irgendwie der Sinn.“ miß