Ein Plan für Rußland

■ Wirtschaftsexperten empfehlen: Dezentralisierung und Währungsreform

Berlin (taz) – Kapitalismus in Rußland – das ist zusammenbrechende Staatsmacht plus ökonomische Schocks im ganzen Land. Auf diesen Nenner läßt sich eine gemeinsame Rußland-Studie mehrerer deutscher Wirtschaftsinstitute bringen, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erarbeitet und diese Woche in Bonn vorgestellt wurde.

Das ist zwar keineswegs eine neue Erkenntnis, aber die Studie empfiehlt Therapieansätze, die zum Teil erheblich von dem abweichen, was im Westen bislang gepredigt wurde. Die Unzahl von „wohlfeilen Reformprogrammen“ werde Rußland nicht helfen, solange nicht ein grundlegender politischer, ökonomischer und juristischer Stabilitätsrahmen geschaffen sei, meinen die Ökonomen vom Berliner Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).

Angesichts undurchschaubarer Macht- und Entscheidungsstrukturen müsse die russische Zentralregierung zunächst, statt das Umgestaltungsmonopol an sich zu reißen, ein förderales System etablieren, in dem staatliche Funktionen weitgehend lokalen Organen überlassen bleiben. Die Zentralregierung selbst solle sich auf die nur von ihr lösbaren Aufgaben beschränken.

Als wichtigsten ökonomischen Stabilisierungsschritt empfehlen die Wirtschaftswissenschaftler eine umfassende Währungsreform. Nach ihrer Meinung kann eine restriktive Währungspolitik als alleiniger Ansatz nicht weiterhelfen, weil das einen Teufelskreis von sinkender Produktion und Nachfrage sowie steigender Arbeitslosigkeit auslösen würde, der die gesamte Reform gefährden könnte. Auch eine Währungsreform verspreche allein keinen Ausweg; sie sei aber ein Signal für einen Neuanfang, wenn sie mit der Schaffung von Wettbewerbsbedingungen sowie der Neuordnung des Verhältnisses von Arbeitgebern und Gewerkschaften einherginge. Neugegründete Gewerkschaften müßten Interessen der Arbeitnehmer zugleich vertreten und kanalisieren, der Staat gleichzeitig jede weitere Mithaftung für Unternehmen (Subventionen und Bürgschaften) ausschließen.

Verworfen wird in der Studie auch die Ansicht, daß eine schnelle Privatisierung Grundlage des gesamten Transformationsprozesses sei. Die „große Privatisierung“ sei auf absehbare Zeit nicht machbar; Großbetriebe müßten allerdings so schnell wie möglich auf kommerzieller Basis arbeiten. Beschleunigt werden sollte nach Meinung der Wirtschaftswissenschaftler dagegen die „kleine Privatisierung“, die im Verein mit der Preisfreigabe unabdingbar sei, um die Versorgungslage schnell zu verbessern.

Gleichzeitig warnt die Studie vor großen westlichen Hilfsprogrammen, da diese angesichts von politischem Chaos, Korruption und organisiertem Verbrechen nur scheitern würden. Statt dessen solle der Westen mit kleinen, gezielten Hilfsmaßnahmen den Aufbau einer privaten Landwirtschaft, des Handels und Handwerkes fördern. Außerdem müsse der Westen, speziell die EG, ihre – auch stark abgeschotteten – Märkte öffnen, um der Exportwirtschaft des Landes wieder auf die Beine zu helfen und dem Land dringend benötigte Deviseneinnahmen zu verschaffen. KV