"Wer sich gemeinsam wehrt, hat gute Chancen"

■ Die Telefone standen nicht still. Zwei Stunden lang gab Jürgen Twisselmann, Jurist des Mietervereins "Mieter helfen Mietern", am vergangenen Mittwoch am taz-Telefon den AnruferInnen Auskunft..

, Jurist des

Mietervereins »Mieter helfen Mietern«, am vergangenen Mittwoch am taz-Telefon den

AnruferInnen Auskunft zum Thema Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum. Fazit:

Verhindern können Mieter die Umwandlung nicht, aber wehrlos sind sie auch nicht.

Wie finde ich heraus, ob mein Haus von der Umwandlung bedroht ist?

Es gibt für die Mieter nicht unbedingt Anzeichen dafür, daß der Vermieter eine Umwandlung plant. Nicht immer finden Begehungen der Wohnungen durch die Bauprüfabteilung statt. Selbst wenn eine Abgeschlossenheitserklärung erteilt wurde, werden die Mieter davon nicht immer vom Bezirksamt informiert.

Wer genehmigt überhaupt die Abgeschlossenheitsanträge?

Die Bauprüfabteilungen der Bezirksämter. Die Anträge werden dort allerdings noch nicht bearbeitet, bis ihnen eine schriftliche Begründung des Karlsruher Urteils

vorliegt, das die Genehmigungserlangung erleichert. Doch damit ist in allernächster Zeit zu rechnen.

Bekomme ich dort Auskunft, ob eine Abgeschlossenheitserklärung beantragt wurde?

Es gibt für die betroffenen Mieter kein Recht auf die Auskunft, ob so ein Antrag gestellt wurde. Der Datenschutzbeauftragte hat sich dagegen gewandt. Trotzdem empfiehlt es sich, bei den Bauprüfabteilungen anzurufen, wenn es Hinweise darauf gibt, daß eine Abgeschlossenheitsbescheinigung beantragt wurde. Manchmal erfährt man dort doch, ob ein Antrag vorliegt.

Ist das rechtmäßig, daß der Datenschutz so eng gefaßt wird, daß der Mieter über eine existentielle Sache offiziell von der Behörde

1nicht informiert werden darf? Kann man dagegen klagen?

Es gibt keine Gesetzesnorm, aus der sich so eine Auskunftspflicht ableiten ließe. Eine Klage hätte deshalb wenig Chancen. Ich werde aber in Kürze den Datenschutzbeauftragten anschreiben und ihn um eine Erläuterung bitten, warum die Auskunft an die Mieter ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz sein soll.

Müssen die Behörden die Abgeschlossenheitsbegehren auf jeden Fall genehmigen?

Bis auf ganz wenige Sonderfälle ja. Danach hat der Eigentümer dann die Möglichkeit, beim Grundbuchamt die Aufteilung in Eigentumswohnungen zu beantragen.

Bedeutet der Antrag auf eine Abgeschlossenheitsgenehmigung automatisch, daß eine Umwandlung unmittelbar bevorsteht?

Das ist erstmal nur eine Vorwarnung. Der Vermieter verschafft sich die rechtlichen Voraussetzungen für eine Umwandlung. Ob dann auch wirklich umgewandelt wird, ist völlig offen. Für die Vermieter ist zur Zeit völlig unklar, ob der Gesetzgeber es demnächst wieder erschweren wird, die Abgeschlossenheitserklärung zu erhalten. Das hat den Effekt, daß viele Vermieter quasi auf Vorrat diese Anträge stellen, ohne daß sie konkret umwandeln wollen. Wachsamkeit ist aber allemal geboten.

Macht es dann schon Sinn, eine Hausversammlung zu organisieren?

1Wenn Verunsicherung bei den Mietern besteht, auf jeden Fall. Die Nachbarn sollten ihren Kontakt intensivieren, damit jeder einzelne mitbekommt, daß eine Wohnung besichtigt oder das Haus fotografiert wird.

Bringt es etwas, den Vermieter zu fragen, ob er eine Umwandlung plant?

Kaum. Sie wissen ja nie, ob die Antwort stimmt.

Habe ich als Mieter die Chance, die Umwandlung zu verhindern?

Rechtlich gibt es da keine Möglichkeit. Doch wenn die Mieter sich zusammenschließen und gemeinsam handeln, bekommt der Vermieter Schwierigkeiten. Die Umwandler versuchen oft, die Mieter zu vereinzeln. Dem einen wird eine Abfindung angeboten, dem anderen gedroht. Es gibt Beispiele in Hamburg, wo Mieter allein dadurch, daß sie zusammengehalten haben, auch ohne die Hilfe von Gerichten die Umwandlung verhindert haben. Da wurden Telefonate der Umwandler nicht angenommen, keiner von ihnen in die Wohnung gelassen und intensiv für Medien- Öffentlichkeit gesorgt, bis die Vermieter aufgegeben haben. Ganz wichtig ist auch: Als Vorsorgemaßnahme sollten die Mieter rechtzeitig für Rechtsschutz sorgen.

Muß ich den Eigentümer reinlassen, wenn er meine Wohnung mit dem Ziel „Umwandlung“ besichtigen will?

Im Regelfall hat der Vermieter nach vorheriger Anmeldung ein Besichtigungsrecht. Grenzen hat dieses Recht aber, wenn der Umwandler Besichtigungen für den Verkauf der Eigentumswohnung machen will. Die kann der Mieter unter bestimmten Bedingungen ablehnen. Findet eine Besichtigung oder ein Gespräch in der Wohnung statt, sollten Sie immer Nachbarn und Freunde als Zeugen dabeihaben. Man sollte sich auch unbedingt informieren, ob der neue Hauseigentümer schon im Grundbuch eingetragen ist. Viele Umwandler lassen sich nicht eintragen, sondern handeln mit Vollmachten des im Grundbuch eingetragenen Eigentümers.

Besichtigungen sind aber nur zulässig, wenn dieser Eigentümer ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Wenn der Umwandler dann die Wohnung besichtigen will, um sie weiterzuveräußern, kann sich der Mieter auf die Position stellen: Das ist nicht im Interesse meines Vermieters, denn der hat ja schon verkauft. Die Wohnungstür bleibt dann zu. Sie sollten dabei wissen, daß der Umwandler Ihnen nachweisen muß, daß er schon im Grundbuch eingetragen ist.

Verändert sich mein Mietverhältnis durch den Verkauf des Hauses an einen Umwandler?

An dem Mietverhältnis ändert sich nichts. Der neue Eigentümer tritt mit allen Rechten und Pflichten des Voreigentümers in den Vertrag ein. Der alte Mietvertrag gilt weiter und Sie sollten sich keinen neuen aufschwatzen lassen. Denn der bedeutet immer eine Verschlechterung für Sie.

Der neue Eigentümer bekommt

1mich also doch nur durch eine Eigenbedarfsklage aus der Wohnung?

In den ersten fünf Jahren, nachdem der erste Käufer der umgewandelten Wohnung im Grundbuch eingetragen wird, ist die

Kündigung des Mieters

ausgeschlossen. Auch danach hat

der Bewohner den vollen

Kündigungsschutz, eine Kündigung kann nur begründet ausgesprochen werden. Es gelten dabei natürlich die ganz normalen Kündigungsfristen. Oft besteht auch die Möglichkeit, rechtlich etwas gegen Eigenbedarfskündigungen zu unternehmen, wenn sie nicht ordnungsgemäß oder ausreichend begründet sind.

Muß ich es hinnehmen, wenn der Vermieter die Wohnung vor dem Verkauf modernisieren will, um sie besser abstoßen zu können?

Sie müssen das hinnehmen, wenn es für sie keine besondere Härte bedeutet. Als Faustregel kann man

1sagen: Wenn Sie alt, arm und krank sind, müssen Sie nichts hinnehmen, sind Sie jung, reich und gesund, müssen sie fast alles dulden.

Ich wohne in einer Sozialwohnung. Kann auch die umgewandelt werden?.

Ja, aber die Mieter haben besondere Rechte. Die Umwandlung ändert nichts daran, daß es sich um eine Sozialwohnung handelt und die Kostenmiete gilt. Selbst wenn die Vermieter die öffentlichen Förderungsmittel auf einen Schlag zurückbezahlen, gelten diese immer noch 10 Jahre als preis- und belegungsgebundene Sozialwohnungen. Und solange die Wohnung als Sozialwohnung gilt, ist eine Eigenbedarfskündigung ausgeschlosssen.

Muß der umwandlungswillige Vermieter mir als Mieter die Wohnung zuerst zum Kauf anbieten?

Das ist nur bei Sozialwohnungen der Fall. Hier können Mieter anstelle des Käufers den Kaufvertrag übernehmen, zum gleichen, von einem Notar beurkundeten Kaufpreis. Sie haben ein halbes Jahr Zeit, sich diesen Schritt zu überlegen und sollten keinen Tag früher als notwendig auf das Vorkaufsrecht verzichten. Der Käufer muß in dieser Zeit damit rechnen, daß Sie im letzten Moment in den Vertrag einsteigen — für Spekulanten eine äußerst lästige Unsicherheit. Ganz wichtig ist auch: Niemand kann einen umwandlungsbedrohten Sozialmieter zwingen, seine Unterschrift unter eine Verzichtserklärung zu setzen. Auch wenn er nicht im Traum daran denkt, die Wohnung zu kaufen.

Soll ich versuchen meine Wohnung zu kaufen, um einem Rausschmiß zu entgehen?

Daß in der Regel weniger als 10 Prozent der Mieter ihre umwandlungsbedrohte Wohnung kaufen, hat gute Gründe. Der Kaufpreis ist oft überhöht, und der Käufer muß für Mängel des Gebäudes selber aufkommen. Viele Käufer übernehmen sich mit der Kreditbelastung — schon eine leichte Zinsverteuerung oder eine nicht vorhersehbare größere Reparatur führt dann oft zu Notverkäufen und Zwangsversteigerungen.

Marco Carini