■ Alles Theater
: Das hochgeehrte Publikum – ein Tier!

Michelle Becker, 32, zur Zeit „UFA-Star“

Das Berliner Publikum ist auf jeden Fall ein sehr kritisches Publikum, aber sehr herzlich. Beides zusammen spüre ich auch. Die gucken zuerst einmal, was machen die hier, aber dann, wenn sie einen ins Herz geschlossen haben, öffnen sie sich, nehmen einen auf. Das ist wie eine Umarmung. Ich habe immer ein Wahnsinnsglück gehabt, weil ich auch meistens Sympathierollen spiele.

Ulf Dietrich, 30, Abendregisseur

In Westdeutschland, in der Provinz, ist es doch leichter, einen Lacher oder einen Applaus herauszukitzeln. Solche Extreme an zwei Abenden hintereinander habe ich vorher nicht erlebt. Wo die einen laut gelacht haben, waren die anderen leise, das ist schon was Besonderes. Das Berliner Publikum gibt es aber nicht, so daß man keine bestimmte Schiene fahren kann.

Monica Solem zur Zeit „Garderobiere“

Ich bin vom Publikum sehr abhängig, weil das Publikum mein Partner ist. Früher in Italien waren sie so offen, auch in ihren Reaktionen. Wenn sie was nicht mochten, dann hörte man's auch. Ich finde aber, daß das Berliner Publikum auch relativ offen ist. Es ist ganz merkwürdig, eine Gruppe von Menschen, die nichts miteinander zu tun haben, werden innerhalb fünf Minuten ein einziges Tier.

Bernd Rüfenacht, 31, zur Zeit „Hitlerjunge“

Das Berliner Publikum hat einen hohen Anspruch, sie wollen schon was sehen hier. Es ist dann um so befriedigender, wenn auch was rüberkommt. In anderen Städten mit weniger Musicals als in Berlin sind sie manchmal richtig euphorisch. Ich finde es toll, wenn die Zuschauer den Schauspieler als einen Menschen achten. Wenn es zu weit geht, wenn sie noch mehr erwarten, bin ich nicht mehr einverstanden.

Cusch Jung, 34, zur Zeit „Nazi-Regisseur“

Das Berliner Publikum ist sehr aufgeschlossen und lustig, seit der Öffnung der Grenzen ist es noch ein bißchen lebendiger geworden. Auf dem Lande reagieren die Zuschauer nicht so intellektuell wie hier. Sitzen aber nur Intellektuelle im Saal, sagen die: Ja und? Das läßt mich doch kalt, weil sie wahrscheinlich schon überfüttert sind. Eine gute Mischung aus Stadt- und Landpublikum sollte es sein.