Neue Zeitschiene für Länderfusion

■ Entscheidung über ein gemeinsames Land Berlin-Brandenburg ist in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten

Berlin. Gestern traten die Parlamentsausschüsse von Berlin und Brandenburg zu ihrer ersten gemeinsamen Sitzung zusammen. Eigentlich sollte ihnen der Abschlußbericht der Regierungskommission der beiden Länder vorliegen, in dem die Grundlagen für eine Fusion festgehalten sind. So war es zumindest zwischen den Regierungschefs Eberhard Diepgen und Manfred Stolpe im Dezember letzten Jahres vereinbahrt worden. Doch gestern war von Diepgen zu erfahren, daß lediglich bis zum 5. Dezember „Eckwerte“ formuliert werden, die danach von den beiden Regierungen bewertet und den Parlamenten zur Beratung vorgelegt werden. Doch auch dann ist mit keiner Entscheidung zu rechnen. Wie der Chef der brandenburgischen Staatskanzlei, Jürgen Linde, vor den Ausschüssen erklärte, werden nach dem 5. Dezember noch 20 Fachthemen „ernsthaft beraten“ werden. Vorrangig nannte er die Landesentwicklungsplanung und die Ver- und Entsorgung Berlins. Dies sei auch die Zeit, „wo wir über die staatsrechtliche Form noch ein bißchen Nachsinnen müssen“. Aus diesen Äußerungen schloß der Berliner SPD-Abgeordnete Klaus Böger, daß die alten Zeitpläne über Bord geworfen würden. Er kritisierte die „exzellente Fusionsrethorik“, die mit einer „kleinmütigen Alltagspraxis“ gekoppelt sei. So seien, ergänzte der CDU-Abgeordnete Manuel Heide, den Brandenburgern 20 gemeinsame Institutionen angeboten und von diesen abgelehnt worden. Linde mußte einräumen, daß sein Land im Verzug bei der Zusammenarbeit sei, es bestünden „emotionale Hemmnisse“.

Doch nicht nur die unterschiedlichen Gefühlslagen stehen einer Fusion entgegen. Ein dicker „Brocken“, der noch geklärt werden muß, ist nach Diepgens Ansicht der kommunale Finanzausgleich. Das ist der Anteil am Landeshaushalt, der der Stadt Berlin in einem gemeinsamen Land zustehen soll. Hier liegen die Berliner Erwartungen dreißig Prozent über dem, was Brandenburg zugestehen will. Für Linde war im Gegenzug „ein dicker Konfliktpunkt“, ob zwischen den Umlandkreisen und Berlin Kontakt möglich sei, ohne daß es über die Zentralen laufen muß. Dazu stellte Diepgen gleich klar, daß die Bezirke nur im Auftrag des Senats mit ihren Nachbargemeinden verhandeln dürfen.

Auch wenn diese Streitpunkte ausgeräumt werden, brächte nach Lindes Ansicht ein Zusammengehen beide Länder in eine „taktisch ungünstige Situation gegenüber dem Bund“. Dieser soll zuvor eine finanzielle Unterstützung, das sogenannte Stadtstaatenprivileg, zusagen. Dieses brächte 3,8 Milliarden Mark mehr in den Landessäckel. Bereits vor Wochen haben die beiden Regierungschefs erklärt, daß sie die Fusion von dieser Zusage abhängig machen wollen. dr