Ist Berlin dem globalen Denken nähergekommen?

■ Nord-Süd-Konferenz geht zu Ende/ Berlin ist von der Verwirklichung der Ziele noch weit entfernt/ Rassistische Pöbeleien gegen Teilnehmerin aus Simbabwe

Berlin. Heute wird die Konferenz „Lokale Initiativen für eine dauerhafte Entwicklung“ die Türen schließen. Vier Tage lang haben Delegierte aus 53 Ländern in Nord und Süd über die Rolle der Kommunen bei der Verwirklichung globaler Zielsetzungen diskutiert.

Neben weitgehender Einigkeit sind jedoch auch unterschiedliche Konzepte der TeilnehmerInnen aus dem Norden und dem Süden deutlich geworden. „Bei diesen Konferenzen, die in Europa vorbereitet werden, können wir aus dem Süden dann zwar noch Änderungen vornehmen, aber im Prinzip werden uns die fertigen Resolutionen präsentiert“, sagte William Reuben-Soto aus Costa Rica.

So sind die Erwartungen an die Gemeinden im Norden durchaus unterschiedlich. „Wir wollen nicht über ,Hilfe‘ reden. Wir brauchen keine Hilfe, sondern gleichberechtigte Zusammenarbeit zur Lösung der globalen Fragen“, sagte Reuben-Soto, der zum Sprecher des Südens auf dieser Konferenz gewählt worden ist.

Paul Bongers, britisches Mitglied im Vorstand von „Towns and Development“, verdeutlichte den Spagat, den viele Gemeinden vollführen: „Wir wollen keinen Konflikt mit unseren Regierungen über ihre Außenpolitik.“ Viele PartnerInnen aus dem Süden wollen aber gerade diesen Konflikt, wollen die Gemeinden des Nordens als Druckmittel nutzen, um Änderungen beispielsweise in der Frage der Verschuldung zu erreichen. Bongers hingegen mahnte zur Vorsicht und verwies auf das Beispiel Großbritannien, wo mittlerweile von der Zentralregierung die Autonomie der Gemeinden eingeschränkt wurde, als diese zu eigenständig agierten.

Die heute zu verabschiedende „Charta von Berlin“ weist den Kommunen die Aufgabe zu, das Motto „Global Denken – Lokal Handeln“ tatsächlich umzusetzen. Der Berliner Senat hat sich mit den entwicklungspolitischen Leitlinien zwar zu diesen Zielen bekannt. Doch die Kompetenzen der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit, die über die Umsetzung der Leitlinien wachen soll, reichen längst nicht weit genug, bestätigte Dr.Jürgen Varnhorn, der Leiter der Landesstelle.

Auch das Interesse der Berliner ParlamentarierInnen und anderen Senatsverwaltungen an der Konferenz war eher mager. Lediglich das Bezirksamt Reinickendorf, verschwistert mit einer Stadt in Burkina Faso, und die Senatsverwaltung für Bundes- und Europaangelegenheiten entsandten eigene Delegierte.

Der Unterausschuß für Entwicklungspolitik des Abgeordnetenhauses, seinerzeit beschlossen, ist noch immer nicht eingerichtet. „Es interessiert sich niemand dafür“, beklagte Varnhorn. Seine Kritik geht jedoch nicht nur an die Adresse von Senat und Abgeordnetenhaus: „Um so etwas wirklich voranzubringen, bedarf es einer Diskussion in der Stadt. Das kann die Landesstelle nicht von oben herab leisten, sondern da müssen die Gruppen Druck machen.“ Vorsichtig kritisierte Varnhorn, daß viele Gruppen die Landesstelle zwar immer dann aufsuchen, wenn es um Finanzmittel geht, die Bemühungen um mehr politischen Einfluß in der Berliner Politik aber kaum unterstützen.

Nach dem Ende der Konferenz sind die Beteiligten nun aufgefordert, die hohen Ansprüche zu verwirklichen. Ein Zeichen für Berlin könnte eine Diskussion im Umweltausschuß des Abgeordnetenhauses am kommenden Montag sein: Erstmals wird mit dem neuen Energiekonzept für Berlin ein innenpolitisches Thema mit den Aussagen der entwicklungspolitischen Leitlinien und des Klimabündnisses verknüpft. Auch daran wird sich messen lassen, ob Berlin dem globalen Denken nähergekommen ist. Vorerst hat Berlin allerdings ein anderes Zeichen gesetzt: Eine Konferenz-Teilnehmerin aus Simbabwe wurde am Donnerstag abend im U-Bahnhof Jannowitzbrücke angepöbelt und bespuckt. Bernd Pickert