taz gerettet, Kampagne geht weiter

■ Der Ansturm dieser Woche hat uns auf 7.054 Rettungsabos gehievt/ Kampagne auf vielfachen Wunsch verlängert

Berlin (taz) – Daß wir der mediennutzenden Nation sympathisch sind (mit einigen hier nicht zu nennenden Ausnahmen), wußten wir ja schon immer. Daß wir noch einmal die treuesten LeserInnen würden mobilisieren können, wenn es um Sein oder Nichtsein der taz geht, ebenfalls. Doch daß unser Kettenbrief sich so schnell über die lesende Republik ausgebreitet hat, ist uns beinahe schon unheimlich. In nur sechs Wochen ist die Zahl der taz-Abos von 35.000 auf über 42.000 geklettert. Längst grübeln Medienforscher und Werbeexperten, die unserer Pistole-auf-die- Brust-Aktion wenig Chancen gegeben hatten, über die Folgen dieses Erfolgs für alle graue Werbetheorie. Ist die ultimative Kampagne, die den Kunden mit dem Bankrott und daraus folgenden Entzug des geliebten Produktes droht, künftig die ultima ratio der Werbetechnik? Ist der einst wegen Glücksspiels verschriene Kettenbrief das neue Medium kostengünstiger Werbung, bei der die Kunden auch noch die Briefmarken bezahlen?

Vielleicht ist ja etwas anderes näher an der Realität: daß die taz eben kein normales „Verlagsprodukt“ ist, dessen Auf und Ab mit marktkonformen Strategien zu steuern wäre. Die taz ist vor allem eine politische Zeitung, die nach den üblichen Kriterien eines Verlegers längst den Daumen nach unten gesehen hätte. Eine Zeitung, die sich, an Rentabilität gemessen, viel zu viel auf einmal vornimmt: mit der Auflage einer Lokalzeitung in der ganzen Republik vertreten sein; ein KorrespondentInnen-Netz im Ausland, das sich hinter den großen „Überregionalen“ nicht zu verstecken braucht; nur 15 Prozent Anzeigenumsatz (statt zwei Drittel); dafür aber eine Leserschaft, die alles daran setzt, die Zeitung auch über flaue Zeiten hinwegzuretten. Ihr gebührt unser Dank, wenn wir jetzt verkünden können: Auch nach Weihnachten wird es weiter die taz geben (und sie wird in diesem Jahr auch erstmals zwischen Weihnachten und Neujahr erscheinen).

700.000 Exemplare des Kettenbriefs haben wir in die Welt geschickt: Er lag nicht nur der taz, sondern auch einem runden Dutzend Zeitschriften, ob Ökotest oder Titanic, bei. Von Günter Wallraff, der ihn auf Lesungen verteilen wollte, über Kreisverbände der Grünen bis hin zu einigen Firmen wurden bei unserem Kettentelefon (030-25902101) mal hundert, mal tausend Exemplare bestellt. Die Sympathiebekundungen in den Medien reichten weit über den engeren Leserkreis der taz hinaus. So notierte die Bild-Klatschkolumne das taz-Rettungsabo als „in“ („out“ war an jenem Tag der Pizza-Service nach Mitternacht), und auch Thomas Gottschalk bekannte sich in seiner neuen RTL- Show zu seinem neuen Abo.

Bei unseren Abo-tazzen wurden die Überstunden schon zur lieben Gewohnheit (dafür gab's am Abend nicht selten Sekt). Von hundert Neuabos pro Woche kletterte die Zahl auf rund 1.200. Und nicht nur in den ersten Wochen: Der Kettenbrief zog offenbar weite Kreise, diese Woche lieferte noch einmal einen Rekord und hievte uns auf ein Plus von 7.054 bezahlten und belieferten Abos seit Beginn der Kampagne.

Wieviele LeserInnen wohl vom Kiosk auf tägliche Belieferung umgestiegen sind? Das wüßten wir auch gerne. Die vorläufigen Zahlen unserer Vertriebsabteilung signalisieren jedenfalls: „kein Einbruch am Kiosk“. Damit das so bleibt, hoffen wir, daß all diejenigen, die sich zu einem Rettungsabo nicht entschließen können, doch so oft wie möglich ihren Morgenspaziergang zum Kiosk lenken.

Allerdings: Um möglichst vielen, die die Zeitung frühmorgens brauchen, das Umsteigen aufs Abo zu erleichtern, schließen wir uns so rasch es geht (nicht überall nimmt uns die Konkurrenz huckepack) Trägerdiensten der jeweiligen Lokalzeitungen an. In diesem Jahr haben wir die Zahl der Abos, die schon um 7Uhr im Briefkasten sind, auf das Doppelte gesteigert. Und es geht weiter, bald ist auch ganz Hamburg dran.

In jedem Fall, jetzt wo's so schön läuft, machen wir weiter – nicht nur mit der taz, sondern auch mit unserer Kampagne. Die Rettungsabos haben die taz ins nächste Jahr gebracht, aber nur, wenn wir alle unsere Sparmaßnahmen beibehalten. Mit 2.500 Abos mehr könnten wir die an zwei Wochentagen arg verdünnte überregionale Ausgabe wieder aufstocken. In diesem Sinne heißt es jetzt für die Kettenbriefkampagne: „Auf vielfachen Wunsch verlängert“. Michael Rediske