„Wenn Barbara kandidieren würde...“

■ Auch die zweite TV-Wahlkampfdebatte sieht US-Präsident Bush als Verlierer

Washington (taz) – Es gab einen symbolischen Moment am Abend der zweiten TV-Debatte zwischen den drei Präsidentschaftskandidaten – und da ging es gar nicht um das gesprochene Wort. Die Kamera erwischte George Bush, als er in einer Sekunde geistiger Abwesenheit auf die Uhr sah. Als wollte er fragen: Wann ist das alles endlich vorbei? Die Chancen, daß Bush am 3. November alles überstanden hat, sind nach Donnerstag abend noch einmal gestiegen. Es dürfte sich im nachhinein als einer der klügsten Schachzüge des Clinton-Teams erweisen, auf dieser, bisher einmaligen Diskussionsform bestanden zu haben: Anstatt, wie beim ersten Mal, auf Stichworte von Journalisten einstudierte Antworten zu geben, stellten sich die drei Kandidaten dieses Mal den Fragen einer Moderatorin und der anwesenden Zuschauer.

Eindeutiges Ergebnis: In der direkten Kommunikation mit Leuten ist Clinton in seinem Element, während Bush ohne festen Text und Teleprompter leicht das Gefühl für zusammenhängende Sätze verliert.

Trotzdem war dies die bislang niveauvollste Veranstaltung des Wahlkampfs. Noch am Tag zuvor hatte die Washington Post berichtet, daß das US-Außenministerium unzulässigerweise Druck auf US-Botschaften ausgeübt hatte, noch rechtzeitig vor den Wahlen Informationen über Bill Clintons Reiseaktivitäten als Student herauszugeben. Clintons Engagement gegen den Vietnamkrieg während seiner Studienzeit in England sowie seine Reise nach Moskau 1969 war von Präsident Bush immer wieder herangezogen worden, um Patriotismus und Vertrauenswürdigkeit seines Konkurrenten in Frage zu stellen. Doch die Zuschauer im Studio machten gleich zu Beginn klar, daß sie von Schmutzkampagnen und persönlichen Attacken nichts mehr hören wollen.

Danach ging es neunzig Minuten lang nur um Sachfragen: Steuern, Verschuldung, Waffenkontrolle, Gesundheitssystem und Schulausbildung. Für Clinton war es das ideale Forum, sein Wahlkampfprogramm des Wiederaufbaus der US-Infrastruktur darzubieten. Ross Perot profilierte sich erneut als unkonventioneller Außenseiter mit dem populären Angebot, im Falle seiner Wahl auf das Präsidentengehalt zu verzichten. Und George Bush schrumpfte in dieser Diskussionsrunde vom Format des Präsidenten auf das eines gewöhnlichen Kandidaten, der nach einer erfolglosen Amtszeit um vier weitere Jahre bittet.

Selbst sein Verweis auf den Golfkrieg blieb zaghaft. Zum einen ist Außenpolitik in diesem Wahlkampf kein Thema, zum anderen gerät die Bush-Administration im Skandal um vermeintliche Weizenkredite an den Irak immer mehr in die Schlagzeilen.

Fernsehanstalten und Demoskopie-Institute waren schon während der Debatte damit beschäftigt, die Temperatur von ausgesuchten Wählergruppen zu messen. Was in diesem Fall weder anal noch oral geschieht, sondern mithilfe eines „Debattenmessers“. Hundert ausgewählte, noch unentschlossene Bürger saßen im Studio und gaben per Handbedienung eines Schalters zu erkennen, ob ihnen gefiel, was einer der Kandidaten gerade sagte. Die Zuspruchskurven für Clinton und Perot waren vielversprechend, die für Bush zeigte meist nach unten.

Das muß er selbst gespürt haben. Denn auf die Frage aus dem Publikum, wann denn die erste Frau von der republikanischen Partei ins Rennen um die Präsidentschaft geschickt würde, erklärte er fast resigniert: „Wenn Barbara dieses Jahr kandidieren würde, würde sie gewählt werden. Aber dazu ist es jetzt zu spät.“ Andrea Böhm