„Unser Gegner ist der Bund“

■ Der Umweltanwalt Reiner Geulen zur Schacht-Konrad-Anhörung

taz: Herr Geulen, das Zelt bei der Schacht-Konrad-Anhörung blieb in den letzten Wochen weitgehend leer. Läßt das mangelnde Interesse Rückschlüsse auf die Qualität der Veranstaltung zu?

Reiner Geulen: Nein, es ist nicht ungewöhnlich, daß bei einem Erörterungstermin das Interesse der Einwender im Laufe der Zeit nachläßt. Natürlich ist auch die Bewegung gegen Atomkraftwerke weniger stark, als sie vor Jahren war. Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, kontinuierlich gegen solche Vorhaben aufzutreten. Das gilt ganz besonders für die beiden großen Endlager Gorleben und Schacht Konrad. Im Falle von Gorleben habe ich alles erlebt: von Demonstrationen mit bis zu 300.000 Menschen bis hin zur jetzigen Situation. Gegenwärtig haben wir die Stunde der Wissenschaftler und der Juristen.

Unter dem Druck der Bundesregierung hat sich ein Ritual entwickelt. Sie stellen als Einwender Abbruchanträge in Serie. Die Landesregierung gibt Ihnen im Prinzip recht, weist sie aber nach entsprechenden Weisungen von Herrn Töpfer ab.

Ich habe insgesamt fünf Anträge gestellt, die im wesentlichen forderten, daß der Termin abgebrochen und das Endlagerprojekt beendet wird. Es gibt keine ordentliche Umweltverträglichkeitsprüfung, Transportrisiken sind nicht beachtet und die Gefahr von Flugzeugabstürzen ist nicht untersucht worden. Wir haben zum ersten Mal in der Genehmigungsgeschichte für derartige Anlagen die Situation, daß die Behörde – also das Umweltministerium Niedersachsens – den Anträgen der Einwender stattgeben wollte. Trotzdem ist das Land angewiesen worden, sie zurückzuweisen. Daraus resultiert eine juristische Situation, die wir so noch nie gehabt haben. Einwender und Land sind übereinstimmend der Auffassung, daß das Vorhaben rechtswidrig ist. Für mich ist der Erfolg dieses Erörterungsverfahrens eindeutig: Er demonstriert nämlich, daß der Bund ein solches Projekt über Weisungen nicht durchsetzen kann gegen den Widerstand der Bürger, der Gemeinden und des Landes.

Das wird sich erst zeigen, wenn das Land die Genehmigung tatsächlich verweigert. Besteht nicht die Gefahr, daß dann alles nach dem alten Muster weiterläuft?

Theoretisch ist das denkbar. Das Bundesverfassungsgericht hat ja entschieden, daß auch rechtswidrige Weisungen durch das Land nicht gerichtlich überprüft werden können. Aber wenn es wirklich zu einem Baubeginn kommen sollte, haben wir natürlich eine sehr viel günstigere juristische Ausgangsposition. Wir als Gemeinden und Bürger stehen erstmals in einem solchen Verfahren nicht alleine, sondern das zuständige Landesministerium teilt weitgehend unsere Standpunkte. Das ist eine bisher einmalige Situation.

Das klingt ganz so, als läge Ihr strategisches Interesse bereits jenseits der aus Bonn erzwungenen und von der Regierung in Hannover erteilten Baugenehmigung.

Selbstverständlich ist der Erörterungstermin für uns auch Teil der Prozeßvorbereitung. Der Bund hat erklärt, daß er seinen harten Kurs fortsetzen will. Deshalb müssen wir damit rechnen, daß er versuchen wird, die Planfeststellung mit Weisungen durchzusetzen. Wir sind auf das dann beginnende gerichtliche Verfahren sehr gut vorbereitet.

Könnte es Frau Griefahn nach der endgültigen Genehmigungsweisung nicht auch auf einen Bundeskommissar ankommen lassen?

Die Frage kann ich nicht beantworten. Das Verhältnis zwischen Bund und Land ist für uns relativ unwichtig. Wir müssen vor allem auf den folgenden Prozeß vorbereitet sein. In diesem Sinne ist der bisherige Verlauf des Erörterungstermins ein Erfolg.

Gerald Kirchner, Sachbeistand des BUND, hat das in der taz ganz anders eingeschätzt. Sein Vorwurf: Man habe versäumt, tief genug in die Sachdiskussion einzusteigen.

Das ist der Vorwurf eines einzelnen. Es ist bei solchen Terminen richtig, zunächst die Verfahrensfehler zu rügen und dann in die Sachfragen einzusteigen. Man kann zum Beispiel Transportrisiken nicht erörtern, wenn die Behörde sagt, das gehört überhaupt nicht zum Verfahren. Schwerwiegende Verfahrensfehler zu ignorieren, hielte ich für abenteuerlich.

Ihnen persönlich hat man vorgeworfen, sie arbeiteten gleichzeitig für die Landesregierung und die Einwender, befänden sich also in einem Interessenkonflikt.

Das ist unsinnig. Ich berate das Land Niedersachsen und das Umweltministerium in verschiedenen Fragen, aber selbstverständlich nicht in diesem Planfeststellungsverfahren. Gleichzeitig begrüße ich natürlich, daß das Land unseren Standpunkt unterstützt. Unser Gegner in beiden Endlagerverfahren ist der Bund. Interview: Gerd Rosenkranz