Wirtschaft weiter auf Talfahrt

■ Fünf Weise sehen unsichere ökonomische Basis für Wirtschaftswachstum/ Konjunkturforscher müssen Prognosen für 1992 nach unten korrigieren

Bonn (dpa/taz) – Die bundesdeutsche Wirtschaft steuert weiter in die Rezession. Nicht nur die Konjunkturforscher, sondern auch Banken und Bundesregierung glauben nicht mehr an eine schnelle Erholung von der Flaute. Erst in der zweiten Jahreshälfte 1993 sei mit einem Umschwung zu rechnen.

Nach Angaben des Bonner Wirtschaftsstaatssekretärs Johann Eekhoff kann für Gesamtdeutschland in diesem Jahr lediglich mit einem Wirtschaftswachstum von real 1,8 Prozent gerechnet werden– das ist deutlich weniger als laut Finanzplanung mit gut zwei Prozent einkalkuliert. 1991 hatte das Wirtschaftswachstum noch 3,1 Prozent betragen. Für 1993 sehen die Prognosen mit einem Plus von 1,5 Prozent noch schlechter aus.

Die nahezu stagnierende Produktion im kommenden Jahr wurde auch von den westdeutschen Industrieunternehmen in einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts bestätigt. Die deutsche Wirtschaft, so der Tenor, werde auch im nächsten Jahr kaum wachsen.

Um die Korrektur der Konjunkturprognosen nach unten ging es am späten Donnerstag auch bei Gesprächen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) und Finanzminister Theo Waigel (CSU). Die „fünf Weisen“ unter Leitung von Professor Herbert Hax wollen ihr Jahresgutachten am 16. November vorlegen, gut einen halben Monat nach dem für Ende Oktober erwarteten Herbstgutachten der Konjunkturforschungsinstitute.

Die fünf Professoren des Sachverständigenrates scheinen ihre Eckwerte bereits festgelegt zu haben: Laut Eekhoff könnte die Wirtschaft in Westdeutschland 1993 im Schnitt real um 1,0 bis 1,5 Prozent wachsen – nach 1,5 Prozent in diesem Jahr. Für Ostdeutschland sei die Bundesregierung jetzt schon froh, wenn 1992 die Hälfte des angenommenen Wachstums von zehn Prozent erreicht werde. Im Jahr 1993 soll eine Größenordnung von sieben bis acht Prozent vorstellbar sein. Für das kommende Jahr erwartet Eekhoff trotz der zum Jahresanfang anstehenden Mehrwertsteuererhöhung von vierzehn auf fünfzehn Prozent einen Rückgang der Inflationsrate auf etwas über drei Prozent. In diesem Jahr beträgt die Geldentwertung bislang 4,6 Prozent.

Laut Ifo-Institut zeichnet sich für 1992 ein Rückgang der Industrieproduktion um ein Prozent ab. Die Talsohle werde aber voraussichtlich im vierten Quartal durchschritten. Trotzdem werde aus der seit mehr als einem Jahr rückläufigen Entwicklung aber kein tiefes Konjunkturtal, so die Forscher. In der zweiten Jahreshälfte 1993 erwarten sie einen stärkeren Anstieg.

Aus einer Umfrage des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bei 150 Ostbetrieben geht hervor, das die Unternehmen nur wenig Optimismus haben. Der Arbeitsplatzabbau in Ostdeutschland werde sich zunächst weiter fortsetzen; die Talsohle ist auch in diesem Jahr noch nicht erreicht. Etwa siebzig Prozent der Befragten meldeten für das laufende Jahr sinkende Umsätze. es