Sterbende als Bio-Brutkasten

■ Ein Interview mit Roscha Schmidt vom Berliner Feministischen Frauengesundheitszentrum

„Dem Papst wird das gefallen – Frauen als Gebärmaschinen.“ Mit diesen Worten kommentierte Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer den Fall der hirntoten und im vierten Monat schwangeren Frau, die im Erlanger Universitätsklinikum künstlich am Leben gehalten wird, damit das Kind in ihrem Bauch zur Welt kommen kann. „Ich finde es pervers“, meinte Schwarzer, „Ich denke, Kinder haben ein Recht auf lebendige Mütter, die sie gern haben. Und Frauen haben ein Recht auf ihren eigenen Körper. Auch die FDP-Politikerin Cornelia Schmalz-Jacobsen wandte sich gegen das Experiment als eine „schwer erträgliche Perversion von Menschlichkeit“. Während kirchliche Moraltheologen wie Franz Fuger aus Münster die Erlanger Praxis unter den gegebenen Umständen für verantwortbar halten, spricht sich die evangelische Bischöfin Maria Jepsen aus Hamburg dagegen aus. Es sei zu fragen, „wie es um die Seele des Kindes bestellt ist“, das ohne echte Mutter- Kind Beziehung heranwachse.

Das Feministische Frauengesundheitszentrum Berlins (FFGZ) reagiert mit harscher Kritik auf das medizinsche Experiment. Die taz sprach mit Roscha Schmidt, Mitarbeiterin des FFGZ.

taz: Welche Motivation steckt Ihrer Meinung nach hinter diesem Experiment?

Roscha Schmidt: Was dort gemacht wird, dient eindeutig den Forschungsinteressen der Medizin. Es geht darum, den Prozeß der Schwangerschaft ohne eine Frau fortführen zu können. In den letzten Jahren gab es vielfältige Versuche, den Prozeß der Befruchtung und die Schwangerschaft ins Labor zu verlegen, um unabhängig von der Frau zu werden. Das Erlanger Experiment ist ein weiterer Beitrag zu dieser Forschung.

Welche Rolle spielt die Frau bei solch einem Experiment noch?

Sie wird zu einem Bio-Brutkasten degradiert, an dem jetzt herumexperimentiert wird. Das ist ein Menschenversuch, der nicht zulässig ist.

Welche Bedeutung messen Sie dabei der Beziehung zwischen Mutter und Kind bei?

Es gibt keine Trennung zwischen Mutter und Embryo, beide bilden bei einer Schwangerschaft eine Einheit. Der Embryo ist die Leibesfrucht der Frau und gehört damit zu ihrem Körper. Diese Einheit wird nun angeblich zugunsten des Embryos getrennt. Bei einer Schwangerschaft ist die Beziehung einer Schwangeren zu ihrer Leibesfrucht ganz entscheidend. Jetzt wird diese Beziehung einfach negiert.

Wie schätzen Sie die ethische Dimension dieses Falls ein?

Zum einen stellt das Experiment eine Verletzung der körperlichen und seelischen Integrität der Sterbenden dar. An der Sterbenden werden vaginale Manipulationen vorgenommen, und sie kann sich nicht mehr dagegen wehren.

Gleichzeitig ist Schwangerschaft ein sehr intimer Bereich, über den die Sterbende nicht mehr selbst bestimmen kann. Die Schwangerschaft wird ihr sozusagen aufgenötigt. Damit wird letztlich auch die Ideologie der Mutterschaft überhöht. Es wird tabuisiert, daß Frauen einer Schwangerschaft auch sehr ambivalent gegenüberstehen können. Schwangerschaft ist nicht per se ein positives Erlebnis. Erst die sozialen Umstände machen es dazu. Das Erlanger Experiment ist eine Machtdemonstration der Medizin, mit der aufgezeigt wird, wie weit sie in den weiblichen Körper eingreifen kann, wie weit sie Zugriff auf die Fruchtbarkeit von Frauen nimmt. Sie macht nicht einmal halt vor Sterbenden. Dieser Zugriff auf Frauenkörper und die Fruchtbarkeit steht in einer langen Tradition. Schon vor 250 Jahren wurde von Ärzten der Göttinger Frauenklinik vertreten, Schwangere wären lebende Phantome, mit denen experimentiert werden könne. Interview: Karin Flothmann