"Bringt euch um!"

■ Gedichte und Lieder von Jacques Prevert auf Kampnagel

auf Kampnagel

„Einsteigen, alle einsteigen“, ruft die vagabundierende Frau. Sie schiebt einen Einkaufswagen vor sich her. „Einsteigen. Macht schon, wir haben es eilig. Wir müssen alle leben. Bringt euch also um. Einsteigen für eine kleine Weltreise“, eine Reise in die Welt des Dichters Jacques Prevert. Ein Mann im grauen Anzug tritt gedankenverloren auf die Bühne. Er zählt nach, das „Inventar“: „Ein Stein, zwei Häuser, drei Ruinen, vier Totengräber, ein Garten, ein Waschbär“. Er packt seinen Koffer aus, stellt die Pappkartons auf das Klavier und zählt zerstreut weiter: „Ein scheußliches Jahr, eine Minute Ruhe, ein Moment Unachtsamkeit und ... fünf, sechs Waschbären“.

Claudia Burckhard und Matthias Botsch inszenierten im Nachtfoyer auf Kampnagel mit viel Liebe, Humor und Ausdruckskraft eine Auswahl der Gedichte und Chansons des im Jahr 1900 bei Paris geborenen und 1977 in der „Stadt des Lichts“ gestorbenen Dichters. Aus seinem kurzen Zwischenspiel bei den Surrealisten hatte Prevert das freie Spiel der Sprache und den Charme der Gegensätze erlernt. Nichtsdestotrotz ist er seinen völlig eigenen literarischen Weg gegangen. Die Themen, die ihn bewegten, waren die Liebe und der Tod, die Natur und ihre Kreaturen, die Absurdität und die Ungerechtigkeit der Welt. Dennoch beließ er es nie nur dabei, zu konstatieren, zu kritisieren und zu verspotten. So gründete er eine proletarische Theatergruppe oder schrieb Drehbücher, z.B. für „Kinder des Olymps“.

Selbst grausamstem Mord mischt

Prevert ja stets einen Hauch von Humor bei, jenen bittersüßen, aus den Qualen des Lebens gewonnen Humor, und dieser Sarkasmus wurde glänzend wiedergegeben. Burckhard und Botsch gelang es außerdem, die repräsentativ ausgewählten kurzen Stücke Preverts zu einer stimmigen Einheit zusammenzufügen. Am Ende klebte das Lachen auf dem Gesicht und die Unruhe im Kopf.

Nikos Theodorakopulos