: Die Herrin der Kaffeepötte
■ “Der Kunde fährt da sehr drauf ab“: Hannelore Heumann in der Uni-Cafete / Stammkunden sind Selbstwischer
So eine Uni-Cafete ist eine Stätte der Unwirtlichkeit: Grelles Neon-Licht, graue Stühle, die langen weißen Tische sind übersät mit Papieren, dazwischen umgekippte Kaffeebecher und Zigarettenstummel. Und doch. Und doch treffen sich hier Generationen von StudentInnen, wird die Cafeteria jedes Semester wieder zum Dreh- und Mittelpunkt der Uni. Denn wer denkt — oder zu denken vorgibt —, muß dem Hirn Nahrung zuführen: Kaffee, Bockwürste, Kartoffelsalat, oder Schokolade.
Herrin im Reich der Kaffeepötte ist Hannelore Heumann. Seit 17 Jahren arbeitet sie in den Uni-Cafeten, belegt „Spitzweg- Baguettes“, dekoriert Salatteller, zählt Brötchen, Mürbeteilchen und Wechselgeld. 10.000 Becher Kaffee verkauft sie und ihre Kolleginnen Monat für Monat. Jeden Morgen, kurz vor sieben, schieben sie die erste Lage Croissants und Käsestangen in den Ofen. „Wir legen sehr viel Wert auf Frischgebackenes, der Kunde fährt sehr darauf ab.“ Und der Kunde ist bei Cafeteria- Leiterin Hannelore Heumann König. Und wenn er sich ärgert, über Preiserhöhungen oder die drei Groschen, die er für den Pappbecher drauflegen muß — Hannelore Heumann redet mit ihm und überzeugt: Und sei es nur davon, daß sie „nur ausführendes Organ“ ist. Probleme mit „ganz ungezogenen Kunden“ hat sie fast nie.
Was weiß so ein Kunde schon vom Leben jenseits des Tresens: Von diesem fensterlosen Raum, in dem Hannelore Heumann und ihre Kolleginnen schwitzen,
Hannelore Heumann, Gebieterin über Kaffee, Kekse und BulettenFoto: Tristan Vankann
wenn sie nicht gerade an der Kasse sitzen. Von der Hektik der Mittagszeit, in der alle StudentInnen schnell nach einem Kaffee anstehen. Vom Gesetz der Wirtschaftlichkeit, das die im Gegensatz zu den Mensen nicht subventionierten Cafeterien in die Gesetze des Marktes zwingt. Aber die vier Damen von der Cafeteria sind clever: Sie haben einen Partyservice eingerichtet
und beliefern die Unibüros bei Geburtstagsfeiern mit Schnittchen.
Platten herrichten, Salate garnieren, der Umgang mit Nahrungsmitteln, das hat Hannelore Heumann schon immer Spaß gemacht. Darum hat sich die gelernte Buchbinderin auch vor 17 Jahren auf den Job in der Cafeteria beworben. „Es macht mir Freude, das zu verkaufen.“ Aber
sie und ihre Kolleginnen müssen Diät halten.
„Die Studenten sind anders geworden“. In den Siebzigern seien sie viel mehr auf die Straße gegangen. Doch auf politische Diskussionen hat sie sich nie eingelassen. „Es wird von uns verlangt, daß wir uns politisch neutral halten.“ Die Studenten studieren ernsthafter, findet sie. Das fällt ihr vor allem an den Na
turwissenschaftlerInnen auf, die Stammkunden sind, weil sie nebenan studieren. Stammkunden, das sind die, die den Tisch selbst abputzen, wenn ein Becher umgefallen ist und die Dame an der Kasse gelegentlich zu einem Sekt einladen, wenn es eine Prüfung zu begießen gibt. Nur Geschenke sind tabu: Schließlich arbeiten sie im öffentlichen Dienst. Diemut Roether
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