: Dengs Äpfel fallen weit vom Stamm
Säuberungskur im Zentralkomitee beendet den Parteitag der chinesischen KP/ Hardliner und Liberale müssen gehen/ 100prozentige Einmütigkeit vor den Augen der Weltpresse ■ Aus Peking Catherine Sampson
Die Kommunistische Partei Chinas unterzog gestern ihr Zentralkomitee einer Generalüberholung. Rechts und links wurde gesäubert, Hardliner wie auch Liberale fielen einem offenkundigen Kompromiß zwischen Konservativen und Reformfreudigen zum Opfer.
Drei mächtige, für Propaganda zuständige und im Januar von Parteiübervater Deng kritisierte Hardliner mußten ihre Hüte nehmen – und auch drei Liberale, die zu Zeiten des Tiananmen-Massakers mit ihren Sympathien nicht hinter dem Berg hielten. Insgesamt stellt die neue ZK-Riege einen begrenzten Sieg für die Deng-Fraktion innerhalb der Partei dar – aber die beiden mächtigsten Konservativen, Premierminister Li Peng und Generalsekretär Jiang Zemin, bleiben.
Die ZK-Wahlen fanden hinter verschlossenen Türen statt. Später, in den Fernsehnachrichten, durfte die Öffentlichkeit gucken: Große rote Urnen mit leuchtenden Hammer-und-Sichel-Emblemen darauf waren zu sehen, in die die Delegierten ihre Wahlvorschläge warfen.
Ausländische Journalisten wurden jedoch in die Große Halle des Volkes gelassen, als es zur Abstimmung über Jiang Zemins Rechenschaftsbericht – der den Parteitag eingeleitet hatte – und drei andere Berichte kam. Es folgte eine Darbietung von Demokratie mit chinesischen Merkmalen. Obwohl die elektronische Stimmabgabe möglich war, schien die Parteitagsregie Bedenken gehegt zu haben, daß Delegierte vor den Augen der Ausländer die Anonymität der Elektronik ausnutzen und Gegenstimmen abgeben könnten. So kam es letztlich zum Händeheben. Zu jeder Abstimmung bat der Veranstaltungsleiter zuerst um Jastimmen. Alle Hände gingen hoch. Dann waren die Neinstimmen dran – und tatsächlich wurde dafür eine erwartungsvolle Pause eingelegt, bevor mit fester Stimme das Wort „Keine“ ausgesprochen wurde; genauso wurde mit Enthaltungen verfahren. Alles wurde einstimmig verabschiedet, und Parteichef Jiang Zemin konnte verkünden, der Kongreß sei „erfolgreich“ abgeschlossen worden.
Bei ihrem so zu Ende gegangene Parteitag – der erste seit den Tiananmen-Demonstrationen von 1989 – machte die KP einen Eindruck der Abschottung, wie unter Belagerungszustand. Keine Konzessionen an irgendwelche Demokratisierung. Nur halbherzige Bestätigungen schneller und tieferer Wirtschaftsreform.
Keine Verjüngung
Fast die Hälfte der 189 ZK- Mitglieder sind neu. Zu den ausgeschiedenen ZK-Mitgliedern gehören Volkszeitungs-Herausgeber Gao Di, Parteipropagandachef Wang Renzhi und Kulturminister He Jingzhi. Zu den fallengelassenen Liberalen gehören der ehemalige Kulturminister Wang Meng (der vor einem Jahr Hardliner vor Gericht brachte und verlor) sowie die Vizeminister Yan Mingfu und Rui Xingwen.
Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua sagte, 61 Prozent der Neuen seien unter 55 Jahre alt; dies zeige, daß die Partei „voller Lebendigkeit und Kraft“ stecke. Dies darf aber nicht verbergen, daß das Durchschnittsalter des Zentralkomitees gestiegen ist – von 55 Jahren auf 56,3. Nur 7,5 Prozent der ZK- Mitglieder sind weiblich.
Heute wird das neugewählte Zentralkomitee eine Plenumssitzung abhalten, um ihr Politbüro zu wählen. Auch hier werden Kompromisse erwartet.
Dissident kommt frei
Hongkong (AP) – Die chinesischen Behörden haben nach Angaben der Hong Kong Economic Times den führenden chinesischen Dissidenten Bao Tong freigelassen. Das frühere ZK-Mitglied der KP wurde demzufolge bereits Anfang Oktober aus dem Gefängnis entlassen und an einen „geheimen“ Ort gebracht. Bao Tong war ein enger Berater des früheren Parteichefs Zhao Ziyang, der nach Niederschlagung der Demokratiebewegung entmachtet worden war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen