Das teure Kleinod

■ Thüringen im Bernsteinzimmerfieber

Erfurt (taz) – Thüringen ist wieder im Bernsteinzimmerfieber. Die Suche nach dem aus Rußland nach Deutschland verschleppten, nach dem Krieg verschollenen Kleinod geht weiter. Die US-Firmengruppe Globalexploration will in den Thüringer Orkus tauchen. Unter dem einstigen Weimarer Gauforum, Sitz des in Nürnberg gehenkten Thüringer Gauleiters Sauckel, wollen ab November 15 Experten aus Flordida mit modernster Technik graben. Spaten- und wortführend wie immer auch zur Stelle und als Berater bereits engagiert ist Hobbyhistoriker Hans Stadelmann aus Weimar, der seit Jahrzehnten den Geruch des Bernsteinzimmers wie der gesamten verschollenen Raubsammlung des ostpreußischen Nazigauleiters Koch in der Nase zu verspüren meint. Unter dem Gauforum liegt der Schatz, schwört er. Er könne ihn regelrecht wittern.

Auch andernorts wird die Globalexploration explorieren. Im Arnstätter Jonastal, wo noch heute tief im Berg gewaltige Produktionshallen für die Nazirakete V2 liegen, wie die Gebeine von unzähligen noch im letzten Kriegsjahr zugrunde gerichteten Häftlingen. Bei Nordhausen in der Nähe des Nazi-KZs Dora-Mittelbau, in Saalfeld und in den gewaltigen Bunkeranlagen der SS bei Kahla wird die amerikanische Gesellschaft ihre Wünschelruten ebenfalls zum Einsatz bringen. Die Thüringer Landesregierung hat grünes Licht für die Aktion gegeben. Schließlich lockt in jedem Fall die Investition von mehreren Millionen Mark, die das Unternehmen einsetzen wird.

Die könnte das Land noch vermehren. Unser Vorschlag: Gründung einer Bernsteinzimmersuchindustrie mit eigenem Bernsteinzimmerlizenzministerium. Höhlen gibt es genug, alte Häuser, unter denen man buddeln kann, ebenfalls. Natürlich muß auch hin und wieder eine richtige Kostbarkeit gefunden werden. Woher nehmen? Natürlich aus den Dutzenden kaum gesicherter Thüringer Museen und Kunstsammlungen. Henning Pawel