Mogelpackung neue Großstadt-Strategie?

■ GAL und sozialpolitische Initiativen kritisieren Senatsvorlage zur "Verbesserung der Stadtteilentwicklung": Das 1,4 Milliarden Mark umfassende Maßnahmen-Paket enthalte auch Pflichtaufgaben...

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1,4 Milliarden Mark umfassende Maßnahmen-Paket enthalte auch Pflichtaufgaben und schüre Konkurrenz unter den Vierteln

Die „soziale Großstadt-Strategie“ — ein propagandistisches Täuschungsmanöver? Die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Anna Bruns und einige Initiativen nahmen gestern

1die Anfang diesen Jahres vom Senat zum Programm erhobene „Politik für soziale Brennpunkte“ unter heftigen Beschuß: Das Milliarden-Paket umfasse auch etliche Maßnahmen, die eh zum Pflichtprogramm der Stadt gehören.

Der Ärger der Kritiker entzündete sich an einer aktuellen Senatsvorlage über „Maßnahmen zur Verbesserung der Stadtteilentwicklung“, die die Bürgerschaft noch in diesem Monat behandeln soll. Im Frühjahr hatte Bürgermeister Voscherau die neue „SPD-Großstadt- Strategie“ besonders hervorgehoben: „Die Maßnahmen haben das Ziel, soziale Gerechtigkeit in unserer Stadt durch regionale Schwerpunktsetzung zu sichern, und dort, wo sie verloren gegangen ist, sie wieder herzustellen.“

Mit 1,4 Milliarden Mark wurde jetzt in der Vorlage für 1993 eine ansehnliche Summe zusammengetragen. Nach Ansicht der GAL eine riesige Schummelpackung. Tatsächlich listete die Senatsriege Maßnahmen auf, die zu den gesetzlich geregelten Aufgaben der Hansestadt zählen und in der Vergangenheit unter weniger werbeträchtigem Etikett im Stadthaushalt enthalten waren.

Aufgeführt wurden so zum Beispiel die Kosten für Kindertagesheime (von Blankenese bis Alstertal) — immerhin 376 Millionen Mark — und Sozialhilfeleistungen zur ambulanten und stationären Pflege von älteren Menschen (584 Millionen Mark). Auch tauchen in dem Katalog 24 Millionen Mark zur

1Altlastensanierung und 30 Millionen Mark für die Instandsetzung von Saga-Wohnungen auf, ebenso 3,2 Millionen Mark für die Betreuungsgesellschaft Hauptbahnhof (Bruns: „Für die Boutiquenfähigkeit des Bahnhofs“).

„Hier sollen uns des Kaisers neue Kleider präsentiert werden, aber wenn man genau hinschaut, steht der Monarch immer noch in der abgetragenen Unterwäsche da“, spottete die GALierin. Auf wenig Gegenliebe stößt die Druck-

1sache auch bei einigen Initiativen. So kritisierte Dieter Kauczor vom Arbeitskreis Kinder- und Jugendarbeit, daß die Kriterien, nach denen soziale Brennpunkte definiert würden, völlig undurchschaubar seien. Ein Stadtteil wie Billstedt etwa, der den höchsten Anteil an Sozialhilfeempfängern aufweise, bleibe außen vor: „Hier wird Konkurrenz unter den benachteiligten Vierteln geschürt“, so Kauczor. Auch Holger Stümpel, Sprecher von der AG Zündstoff (ABM-Initiativen), be-

1mängelte, daß der Senat im Zuge der Bonner Kürzungen von ABM- Mitteln 60 Millionen Mark weniger für Arbeitsplätze in sozialen Initiativen bereitstelle als 1991 und '90, obwohl er erkannt habe, daß Arbeitslosigkeit die Hauptursache für Verarmung sei.

Der Senat müsse in Hamburgs sozialen Brennpunkten aktiv gegen Arbeits- und Obdachlosigkeit vorgehen, lautet die Forderung der GAL, anstatt „Potemkinsche Dörfer herumzuschieben“. Sannah Koch