Waterloo-Ufer: Endloses Nachtlager

■ Johanniter-Hilfe versorgt seit gestern Flüchtlinge am Waterloo-Ufer/ Kein Ende für unhaltbare Zustände in Sicht

Berlin. Seit Ende September kampieren jede Nacht Hunderte von Kriegsflüchtlingen aus Jugoslawien vor der Außenstelle der Ausländerbehörde am Kreuzberger Waterloo-Ufer. Oft sind es ganze Familien mit kleinen Kindern. Grund: Der 1. Oktober war für die über achttausend Flüchtlinge der Stichtag, an dem ihre im Sommer vom Senat beschlossene Duldung auslief und verlängert werden mußte. Nur wer die Nacht in der Kälte ausharrt, hat überhaupt Chancen, am nächsten Tag abgefertigt zu werden; viele Menschen verbringen mehrere Tage auf der Wiese hinter der Behörde, weil es ihnen nicht gelingt, in das Abfertigungskontingent des Tages aufgenommen zu werden. Weil viele Flüchtlinge Angst vor Repressionen durch deutsche Behörden haben, wenn sie jetzt ohne verlängerte Aufenthaltsbescheinung angetroffen werden, werden die kalten Nächte in Kauf genommen. Bereits in den letzten Wochen hat es verschiedene private Versuche gegeben, die Lage der Flüchtlinge etwas zu erleichtern. Seit gestern hat nun die Johanniter-Unfall- Hilfe die Versorgung der Flüchtlinge mit heißem Tee und Suppe übernommen. Die taz sprach mit Michael Adomaitis, dem stellvertretenden Landesgeschäftsführer der Hilfsorganisation.

taz: Haben Sie vor ihrer Aktion mit dem Senat gesprochen?

Adomaitis: Wir haben der Innenverwaltung das Angebot gemacht. Das ist dann auch angenommen worden, sicherlich nicht mit überschäumender Freude, aber man hat es begrüßt, daß wir das machen.

Haben Sie vom Senat erfahren, wie lange dieser Zustand am Waterloo-Ufer noch andauern soll?

Darüber konnte man mir keine Auskunft geben. Man sprach von sechs Wochen, auch von acht Wochen und möglicherweise sogar noch länger. Dann aber kommen wir voll in den Winter hinein, der katastrophal werden kann. Ich habe den Eindruck, da passiert offenbar nichts.

Es ist trotzdem der Senat, der diesen Zustand beenden muß.

Wir haben aus Menschlichkeit heraus geholfen, nicht, um dieses Problem zu lösen. Deshalb haben wir heute erstmalig kostenlos Tee und Suppe verteilt. Dabei wurden wir sicherlich auch von den Bediensteten vor Ort und der Polizei dankend angenommen. Ansonsten aber muß der Senat dafür sorgen, daß diese Menschen warm untergebracht sind. Das alles aber liegt auf der politischen Schiene. Da mischen wir uns nicht ein.

Dennoch aber machen Sie die Arbeit für den Senat.

Wir haben natürlich ein Problem damit: in dem Moment, wowir auftauchen, vereinfachen wir das Problem, und das Gewissen wird etwas ruhiger. Zumal wirklich alles aus unserer Kasse bezahlt wird. Wir werden von niemandem dabei finanziell unterstüzt. Wir sind uns auch darüber klar, daß dies eine schwere finanzielle Belastung für uns ist, wenn dieser Zustand noch lange andauert.

Daß Menschen im Freien übernachten müssen, nur um einen Stempel zu erhalten, ist ein unerträglicher Zustand.

Ich sehe unsere Aufgabe erst mal darin, den Menschen mit unseren Mitteln zu helfen. Alles andere ist ein zweiter Schritt. Wir werden sicherlich versuchen, mit dem Senat ins Gespräch zu kommen, welche Alternativen es gibt. Unser Bestreben ist, diesen Zustand schnellstmöglich zu beenden. Aber wir sind nicht die Politiker oder die Beamten, sondern nur eine Hilfsorganisation. Interview: Gerd Nowakowski